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Gender Curriculum Theologie, islamisch

Fach: Theologie, islamisch
Fächergruppe/n: Geisteswissenschaften

Lehrziele:

Als Grundvoraussetzung für eine systematische Beschäftigung mit den Inhalten und Methoden der Frauen- und Geschlechterforschung muss zunächst eine theoretische Grundlage für die feministische Theologie des Islams geschaffen werden. In diesem Zusammenhang sollen die Studierenden allgemein erfahren, welche Entwicklungen es bezüglich der Frauen- und Geschlechterforschung innerhalb des Islams gegeben hat und aktuell gibt.

Ein weiteres Lernziel ist die Erschließung der Bedeutung der Kategorie Geschlecht in den unterschiedlichen Bereichen der islamischen Theologie. Diese umfassen die Auseinandersetzung mit dem Koran und die Koranexegese (Tafsīr), die islamische Normenlehre (Fiqh), die islamische Geschichte (Tarīḫ), die systematische Theologie (Kalām), die prophetischen Überlieferungen (Ḥadīṯ) sowie die praktische Theologie. Die Studierenden sollen sich dabei mit den spezifischen Inhalten und Methoden der Frauen- und Geschlechterforschung auseinandersetzen und diese reflektieren. Gleichzeitig sollen sie dazu befähigt werden, deren Bedeutung für die eigene Lebenswirklichkeit zu erschließen, denn gerade der islamische Kontext macht deutlich, wie sehr patriarchale theologische Inhalte die Glaubenspraxis bestimmen, die kaum bis keinen Raum für Ansätze der Frauen- und Geschlechterforschung zulassen. Die Studierenden sollen daher auch dazu befähigt werden, diese patriarchalen Inhalte zu hinterfragen und entsprechend mit Ansätzen der Frauen- und Geschlechterforschung zu argumentieren.

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Lehrinhalte/fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung:

Die feministische Theologie des Islam steckt in Deutschland noch in ihren Kinderschuhen. Zwar gibt es global gesehen eine Vielzahl an Entwicklungen und Auseinandersetzungen im Bereich der Frauen- und Geschlechterforschung, doch diese wurden bislang noch nicht im Sinne einer feministischen Theologie gebündelt.

Innerhalb des Studiums sollte die theologische Frauen- und Geschlechterforschung eine Querschnittsdisziplin der Theologie darstellen. Das bedeutet ganz konkret, dass sie innerhalb der verschiedenen Disziplinen der islamischen Theologie die Geschlechterfrage thematisieren sollte und zwar mit dem Ziel, eine geschlechtergerechte Theologie zu etablieren. Dabei rücken innerhalb dieser Disziplinen verschiedene Thematiken und Methoden in den Fokus.

Außerdem versteht sich eine theologische Frauen- und Geschlechterforschung in der islamischen Theologie als prinzipiell offen gegenüber anderen Theologien und hält daher einen interreligiösen Zugang für unabdingbar.

Die einzelnen Disziplinen lassen sich unter die folgenden Schwerpunkte zusammenfassen, die aufgrund der oben angesprochenen noch fehlenden Bündelung allerdings nur als eine Richtlinie fungieren können:

 

Exegetische Disziplin

Diese Disziplin setzt sich aus den Feldern Koranexegese und Ḥadīṯ-Exegese zusammen. Hier werden ausgehend von deren Historizität unterschiedliche Fragen an die Texte gestellt. Dabei geht es zum einen darum, historische Kontexte, die für eine gendersensible Untersuchung relevant sind, zu rekonstruieren, um auf diese Weise deren Reflexion in den Texten zu analysieren. Zum anderen spielen innerhalb der Auslegung die intratextuellen Bezüge innerhalb des Korans eine zentrale Rolle, da die innerkoranische Dynamik relevant für die Entwicklung gendersensibler Themen ist. In diesem Zusammenhang wird auch das dialektische Verhältnis von Koran und Ḥadīṯ bezüglich dieser Themen analysiert. Es gilt dabei die patriarchalen Strukturen der Texte freizulegen und diese vor dem Hintergrund einer geschlechtergerechten Auslegung neu zu interpretieren. Gleichzeitig wird generell die Frage gestellt, inwieweit die Texte bereits geschlechtergerechte Aspekte beinhalten. Auch wird das bisherige Textverständnis in der klassischen Exegese einer kritischen Untersuchung unterzogen. Es geht innerhalb der exegetischen Disziplin also darum, feministische bzw. geschlechtergerechte Lesarten sowie deren verschiedene hermeneutische Zugänge kennenzulernen. Dafür ist es unabdingbar sich mit den Arbeiten von Riffat Hassan, Amina Wadud, Asma Barlas, Saadiya Shaykh, Kecia Ali und Aysha Hidayatullah auseinanderzusetzen, die ganz konkret einzelne gendersensible Themen innerhalb der exegetischen Disziplin diskutieren.

 

Systematische Disziplin

Innerhalb der systematischen Disziplin wird den Studierenden die Bedeutung von Geschlechterfragen für die theologische Rede von Gott und deren Implikationen für die Gott-Mensch Beziehung verdeutlicht. Diesbezüglich spielt die Betrachtung von androzentrischen Gottesvorstellungen bzw. männlich konnotierten Gottesbildern eine zentrale Rolle. Diese ergeben sich in der arabischen Sprache innerhalb des Korans und in der prophetischen Überlieferung vor allem durch die maskulinen Bezüge zu Gott, die in der Folge auch die gesamte systematische Disziplin beeinflussen. Hierzu gilt es u. a. sich mit den Arbeiten von Amina Wadud und Asma Barlas auseinanderzusetzen, welche die Bedeutung der arabischen Sprache für androzentrische Gottesvorstellungen diskutieren. Auch sollte die Bedeutung des wichtigsten Gottesattributes ar-Rahmān (der Allbarmherzige) innerhalb der systematischen Disziplin behandelt werden, denn diese lässt sich etymologisch vom Begriff Raḥma (Mutterleib) herleiten und erhält somit eine weibliche, mütterliche Konnotation.

Ein weiterer wichtiger Punkt innerhalb der systematischen Disziplin ist die Schöpfungstheologie, die koranisch betrachtet eine breite Basis für eine geschlechtergerechte Auslegung bietet und somit die Schöpfung der beiden Geschlechter auf der Seins-Ebene auf die gleiche Stufe stellt. Auch hier wäre es von Nutzen, die diesbezüglichen Ausführungen von Riffat Hassan und Amina Wadud zu konsultieren.

 

Historische Disziplin

Die historische Disziplin beschäftigt sich mit der historischen Relevanz von Frauen auf gesellschaftspolitischer, intellektueller und geistlicher Ebene, sei es als islamische Gelehrtinnen, Politikerinnen oder Freigeister, die sich aktiv in die Gesellschaften eingebracht und diese mitgestaltet haben. Diese Frauen und ihr Einsatz bleiben in der islamischen Rezeptionsgeschichte oftmals stark marginalisiert, da patriarchale Strukturen in den verschiedenen gesellschaftlichen und intellektuellen Bereichen dominieren und daher eher die Narrative männlicher Persönlichkeiten im Vordergrund stehen. Daher gilt es, diesen weiblichen Stimmen wieder Gehör zu verschaffen und ihre Geschichten zu erzählen. Gleichzeitig soll aber auch innerhalb des historischen Materials aufgezeigt werden, wo durch das Engagement von Männern patriarchale Strukturen aufgeweicht werden konnten und so für Frauen auf gesellschaftlicher und intellektueller Ebene Raum zur Entfaltung entstand. Ziel ist es, eine Frauengeschichtsforschung anzutreiben. Ansätze dafür lassen sich schon bei einigen WissenschaftlerInnen finden, die sich explizit mit den Biographien von Frauen in der islamischen Geschichte auseinandersetzen. So hat Doris Decker in ihrer Studie „Frauen als Trägerinnen religiösen Wissens: Konzeptionen von Frauenbildern in frühislamischen Überlieferungen bis zum 9. Jahrhundert“ bestimmte Frauenbilder von der Zeit des Propheten bis ins neunte Jahrhundert untersucht und kann anhand einiger Überlieferungen durchaus emanzipatorische Vorstöße von Frauen in jener Zeitspanne aufzeigen. Aisha Geissinger untersucht in ihrer Monographie „Gender and Muslim Constructions of Exegetical Authority“ die Rolle von weiblichen Überliefernden als exegetische Autoritäten. Außerdem gibt es Arbeiten, die explizit Frauenbiographien aus den arabischen Biographiewerken (Tabaqāt) in die englische Sprache übersetzt haben, wie „Al-Muhaddithat: The Women Scholars in Islam“ von Mohammad Nadwi.

 

Praktische Disziplin

Die praktische Disziplin setzt sich aus den Bereichen islamische Religionspädagogik (IRP) und islamische Normenlehre zusammen und betrifft vor allem das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Glaubenspraxis. Innerhalb der islamischen Religionspädagogik ist es notwendig, sich mit Formen geschlechtergerechter religiöser Erziehung auseinanderzusetzen und die entsprechenden feministischen Konzepte als festen Bestandteil der IRP aufzunehmen. Dabei sollte auch die Frage nach der Geschlechtsspezifik der religiösen Sozialisation gestellt werden, damit die Studierenden ein Bewusstsein dafür entwickeln, patriarchale Strukturen freizulegen und diese im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit aufzubrechen. Hier spielt auch die islamische Normenlehre eine wichtige Rolle, da diese durch bestimmte Normen die patriarchalen Strukturen unterstützt, was wiederum einen großen Einfluss auf die Rolle von Frauen in der Glaubenspraxis, z. B. in geistlichen Ämtern hat. Daher gilt es auch hier geschlechtergerechte Lösungsansätze und Interpretationen aufzuzeigen und den Studierenden die Möglichkeit zu geben, mithilfe verschiedener hermeneutischer Methoden aktuelle Fragestellungen, die vor allem auch die eigene Lebenswirklichkeit betreffen, neu zu beantworten und zwar auf der Grundlage eines geschlechtergerechten Zugangs. In diesem Sinne hat sich u. a. Amina Wadud mit Fragen der islamischen Normenlehre auseinandergesetzt, wie der nach der männlichen Dominanz in der Ehe oder der nach Frauen als Imaminnen, und legt diese mit Hilfe eines historischen Zugangs neu und im Sinne eines geschlechtergerechten Zuganges aus.

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Integration der Inhalte der Geschlechterforschung in das Curriculum:

Prinzipiell ist es wünschenswert, dass die Geschlechter- und Frauenforschung gemäß der oben angeführten Lehr- und Studienziele als Querschnittsthema aller theologischen Disziplinen in der Bachelor-Phase verankert ist. Dies könnte jede Disziplin innerhalb der eigens angesetzten Einführungen mit einer Sitzung abdecken oder aber alternativ könnte eine disziplin-übergreifende Einführung in die Frauen- und Geschlechterforschung angeboten werden.

Es ist sicherlich zudem sinnvoll in der Bachelorphase ein entsprechendes Modul anzubieten, welches aus einer Vorlesung und einem Seminar bestehen sollte. Die Vorlesung sollte dabei zunächst einen allgemeinen Überblick über die Entwicklungen der feministischen Strömungen im Islam liefern, dabei den Fokus auf den europäischen, angloamerikanischen und nordafrikanischen Raum legend, da diese für den deutschen Diskurs eine entscheidende Rolle spielen. Das Seminar sollte sich dann vertieft mit konkreten Personen und deren Positionen sowie Einflüsse auf die Entwicklungen der feministischen islamischen Theologie auseinandersetzen. Je nach Leistbarkeit ist darüber zu entscheiden ob dieses Modul als Pflicht- oder Wahlpflichtfach angeboten werden sollte. Gerade für die interreligiöse Öffnung wäre zudem wünschenswert, wenn auch ein interreligiöser Bezug hergestellt werden würde. Dies könnte innerhalb dieses Gender-Moduls oder innerhalb eines eigens angelegten interreligiösen Moduls erfolgen. Auch eine interreligiöse Veranstaltung, z. B. gemeinsam mit der katholischen Theologie zu einer der theologischen Disziplinen wäre denkbar. Auch hier müsste man je nach Leistbarkeit abwägen, ob es sich dabei um eine Pflicht- oder Wahlpflichtveranstaltung handeln sollte.

Für die Masterphase sollte dann eine Vertiefung der einzelnen Themen der Frauen- und Geschlechterforschung innerhalb der einzelnen theologischen Disziplinen erfolgen, indem sie als fester Bestandteil mindestens eine Sitzung des jeweiligen Hauptseminars bilden.

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Studienphase:

In der Bachelorphase sollten die Grundlagen der theologischen Frauen- und Geschlechterforschung in den unterschiedlichen Disziplinen sowie die relevanten Fragestellungen behandelt werden. Das Masterstudium dient dann einer Vertiefung in die einzelnen thematischen Bereiche der Frauen- und Geschlechterforschung.