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Gender Curriculum Erziehungswissenschaft/Pädagogik

Auch relevant für Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften, Geschichte, Psychologie

Fach: Erziehungswissenschaften/Pädagogik
Fächergruppe/n: Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Lehrziele:

Durch das Studium der Themen der erziehungswissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung erwerben Studierende Kompetenzen zur Reflexion der bestehenden und erwünschten Geschlechterverhältnisse in Geschichte und Gegenwart. Sie lernen die Bedeutung der Kategorie Gender sowohl als soziale Kategorie in der Lebensspanne zu verstehen als auch als Analysekategorie für Forschungsprozesse anzuwenden, um deren Stellenwert für Erziehungs-, Bildungs-, Sozialisations- und Qualifikationsprozesse für jede Generation zu erkennen, zu bewerten, zu entwerfen oder zu verwerfen.

Um die Studien- und Lernziele zu erreichen, sind gendersensible didaktische Konzepte und Anleitungen für geschlechtergerechte Curricula nutzbar. Das bedeutet, dass die Aneignung von Genderkompetenz, die zu einer geschlechtersensiblen und reflexiven Umgangsweise mit Teilnehmenden in der Bildungspraxis von Kitas, Schulen, außerschulischen Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung und in beruflichen Einrichtungen sowie Betrieben führen soll, ein anerkanntes Vermittlungsziel ist. Themen der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplinen lassen sich unter mehrperspektivischen didaktisch-methodischen Überlegungen mithilfe solcher Vorschläge für eine genderfaire Lehre aufbereiten.

Von hoher Relevanz ist dabei eine präzise theoretische Arbeit mit Begriffen wie Geschlecht, Gender, Subjekt, Identität, Sozialisation, Individualisierung, Bildung, Konstruktion und Dekonstruktion sowie gesellschaftlichen Geschlechterordnungen. Auch wenn in den Forschungen zu Sex und Gender immer schon neben der Frage nach dem Stellenwert von Geschlechtszugehörigkeit in Erziehungs- und Bildungsprozessen auch nach dem sozioökonomischen und politischen Einfluss auf die Gestaltung von Geschlechterbeziehungen gefragt wurde, so hat die Auseinandersetzung in den letzten Jahren über Abhängigkeiten zwischen den Kategorien (Gender, Klasse, Ethnie, usw.) insbesondere auf der theoretische Ebene zugenommen. Der Erwerb von Genderkompetenz ist daher kaum ohne Aneignung theoretischen Wissens vorstellbar.

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Lehrinhalte/fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung:

In den Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft, häufig unter dem Dach Bildungswissenschaften geordnet, sind Themen der Erziehung, Bildung, Sozialisation, Qualifikation und Weiterbildung, Lehren und Lernen sowie Beratung mit der Frage nach dem Stellenwert von Gender verbunden. Im Prinzip lassen sich alle Lehrinhalte nach einer Geschlechter-Codierung hinterfragen und aufbereiten.

Für die Lehre liegen in den folgenden Teildisziplinen und Handlungsfeldern Forschungsergebnisse aus der Genderperspektive vor:

  • Allgemeine und Historische Erziehungs- und Bildungsforschung
  • Pädagogik der frühen Kindheit
  • Schulpädagogik, Didaktik
  • Berufs- und Wirtschaftspädagogik
  • Sozialpädagogik
  • Pflege und Betreuung
  • Rehabilitationswissenschaft, Inklusionsforschung
  • Freizeitforschung, Bewegungswissenschaft, Sportpädagogik
  • vergleichende und interkulturelle Pädagogik
  • Medienpädagogik
  • Erwachsenenbildung und Weiterbildung
  • Altersbildung.

Einblicke und Überblicke in den Diskussions- und Forschungsstand aus Genderperspektive sind nach einer Phase der Durchführung von Frauenforschungsprojekten durch die Zunahme der Männlichkeitsforschung, z. B. zur Jungenförderung, sogar schärfer als vorher kontrastiert worden. Gleichstellungsfragen, bzw. generell Genderforschungen nehmen nicht mehr allein Mädchen und Frauen in den Blick. Genderforschung kann gegenwärtig faktisch auch Männlichkeitsforschung meinen (z.B. Budde/Thon/Walgenbach 2014). Auch wenn manchmal behauptet wird, dass Genderforschung überflüssig geworden sei, ist sie fester Bestandteil in den Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft geworden. Aufschlussreich ist sie gegenwärtig besonders dann, wenn die Teildisziplinen kooperieren und vergleichend verfahren.

Methodische und theoretische Zugänge

Relevante Fragen sowohl für die Bildungsarbeit als auch für die Forschung beziehen sich auf die Überwindung traditioneller Zuschreibungen von Aufgaben, Funktionen und Rollen von Frauen und Männern in der Gesellschaft, die häufig als heterogene und aufeinander sich beziehende Gruppen verstanden werden. Die Flexibilität von Rollen in der gesellschaftlichen Ordnung ist ein Thema, das je nach sozialem und beruflichem Kontext immer wieder erneut debattiert wird. Hinzugekommen sind Fragestellungen nach Lebens-, Arbeits- und Anerkennungsverhältnissen von gleichgeschlechtlichen Beziehungen und der Umgang mit diesen. Aufgrund der Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturen sind Forschungen aufgenommen worden, die methodisch und theoretisch die Entwicklung neuer Zugänge erfordern, um weitere wissenschaftliche Erkenntnisse insbesondere über „Das Eigene und das Fremde“ zu gewinnen (z.B. Kleinau/Rendtorff 2012). Übergeordnete Fragestellungen sind: Für welche Gesellschaft wird erzogen und sozialisiert, gebildet und qualifiziert? Ist die Genderzugehörigkeit ein Ausschluss- oder Integrationsfaktor für soziale Zuweisungen, Zuschreibungen, Beruflichkeit, Positionierungen, Entscheidungs- und Führungsfunktionen? Mit welchen Strategien wird Gender sichtbar oder unsichtbar gemacht? Wann wird Gender thematisiert oder dethematisiert?

Methodische und theoretische Zugänge sind einerseits über die empirische Sozialforschung mit der Erhebung und Erfragung von Daten üblich, andererseits über geisteswissenschaftliche hermeneutische Herangehensweisen von Dokumenten und darüber hinaus über biografisch orientierte Forschungen. Mittlerweile werden methodische Triangulationen eingesetzt, um umfassende Präsentationen sozialer Phänomene zu erreichen.
Zugänge über qualitative Forschungsmethoden werden in den Erziehungswissenschaften gern genutzt, um vermittelt über die Lebens- und Lernwelten von Menschen mit verschiedenen sozialen Herkünften zu erfahren, wie diese aufgewachsen sind und wie ihre Milieuzugehörigkeit ihr Handeln geprägt hat (vgl. Schlüter 2012).

Debatten, Bildungsarbeit und Erforschung von Geschlechterverhältnissen in den Erziehungswissenschaften resultieren aus unterschiedlichen Bildungs-, Lern-, Biografie- und Diskurstheoretischen Ansätzen mit den Kategorien

  • Differenz und Gleichheit zwischen den Geschlechtern
  • Doing Gender als Interaktions und Kommunikationsprozess
  • Bildung und Lernen als Entwicklungsprozess
  • Sozialisation als Individualisierungsprozess für gesellschaftliche Integration
  • Konstruktion und Dekonstruktion als Analyseverfahren vor allem von Naturalisierungsstrategien für Genderzuschreibungen
  • Heterogenität, Intersektionalität, Diversity als Ansätze zur Erfassung sozialer Grenzziehungen
  • Gender als interdepente Kategorie.

Aktuelle Themen und Diskurse der erziehungswissenschaftlichen Frauen- und Genderforschung finden sich in dem regelmäßig erscheinenden "Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft", das von der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in der DGfE herausgegeben wird. In der Reihe "Frauen- und Genderforschung in der Erziehungswissenschaft", herausgegeben von Sabine Hering, Anna Maria Kreienbaum und Anne Schlüter, werden außerdem neue Ergebnisse der Frauen- und Genderforschung präsentiert. Sie enthält historische, gegenwärtige, insbesondere biographieorientierte Studien, auch über das Selbstverständnis von Erziehungswissenschaftlerinnen in der Frauen- und Geschlechterforschung. Darüber hinaus ist die „Schriftenreihe der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft“ ein Publikationsorgan, das Ergebnisse von Tagungen der Sektion auch zusammen mit weiteren Sektionen der DGfE veröffentlicht (z.B. „Eigen und anders“. Zusammen mit der psychoanalytischen Pädagogik. 2012).

Fachspezifische Inhalte umfassen:
  • Gender in pädagogischen Handlungsfeldern, insbesondere der Familienerziehung, der Erziehungsberatung, Elternbildung, im Schulwesen, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Rehabilitation, in der Berufsausbildung, in der LehrerInnenbildung, in der Medienpädagogik und Mediendidaktik, in der interkulturellen Pädagogik, in der Bildungsberatung und in der Zielgruppenarbeit mit Erwachsenen
  • Bildungstheoretische und bildungshistorische Zugänge der Frauen- und Geschlechterforschung zu historischen Phasen (z. B. Weimarer Zeit, Nachkriegszeit, usw.)
  • Psychologische und gesellschaftliche Theorien zum Stellenwert von Gender und Genderkompetenz für Bildungs- und Sozialisationsprozesse
  • Theoretische, philosophische sowie linguistische Ansätze zu Konstruktion/Dekonstruktion von Geschlechterverhältnissen
  • Analyse von Gender-Diskursen in erziehungswissenschaftlichen Handlungsfeldern
  • Lehr- und Lernberatung sowie E-Learning zu gendering-Prozessen im Unterricht
  • Theorien zur gesellschaftlichen Arbeit und Reproduktion sozialer Ungleichheit
  • Globalisierungsentwicklungen unter der Genderperspektive
  • Diskussionen zu politischen Programmen wie Gender Mainstreaming und Diversity
  • Lebenslanges Lernen, Biographie und Milieus unter Genderperspektiven
  • Auslotung der Forschungsansätze von Diskriminierung durch gesellschaftliche Benachteiligungsstrukturen wie z. B. Intersektionalität
  • Möglichkeiten der Vermittlung des Umgangs mit den Herausforderungen durch "Gender und Diversity" als Managementkonzepte in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen als Organisationen.
Professionsaspekte

Seit den 1990er Jahren ist eine Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft institutionalisiert, deren Vorstände sich für die Entwicklung der Frauen-, Männer- und Genderforschung engagieren. Die Institutionalisierung erbrachte neben der Durchführung von Tagungen zu aktuellen Debatten die Herausgabe von Einführungen in die erziehungswissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung, auch Handbücher, Jahrbücher und Schriftenreihen. Im Gegensatz zur soziologischen bzw. sozial- und kulturwissenschaftlichen Ausrichtung der Genderforschung und Gender Studies als Studiengänge fehlen entsprechende Studiengänge in den Erziehungswissenschaften. Ausnahmen bilden der Studiengang „Bildungstheorie und Gesellschaftsanalyse“ im Fachgebiet Erziehungswissenschaft an der Universität Wuppertal mit einem Wahlpflichtmodul „Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft“ und das Modul „Gender und Diversity“ im Master-Studiengang „Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ in der Fakultät Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen.

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Integration der Inhalte der Geschlechterforschung in das Curriculum:

Im Zuge der Entwicklung der Bachelor- und Master-Studiengänge sind Aspekte der Geschlechter-Differenz, Heterogenität und Homogenität, von Selektion bzw. Inklusion und Exklusion nach Genderkriterien in die Inhalte von Modulen aufgenommen worden. Wie diese umgesetzt werden können, zeigen Konzepte gendersensibler Lehre bzw. Hochschuldidaktik, die für verschiedene Fachkulturen entwickelt wurden (z.B. Winheller 2015). Um Geschlechterpolaritäten zu diskutieren und vor allem um integratives Gendering zu betreiben, ist Gender als didaktisches Prinzip für Innovationen in Studium und Lehre zu berücksichtigen. Anregungen für die Aufbereitung von Lehrinhalten nach Ergebnissen der Genderforschung sind den jeweiligen Fach-Didaktiken zu entnehmen (Kampshoff und Wiepcke 2012).

Prinzipiell lässt sich Gender-Wissen aufgrund der Relevanz von Gender für Bildungs-, Erziehungs-, Qualifikations- und Entwicklungsprozesse in jedem erziehungswissenschaftlichen Modul unterbringen. Notwendig sind Gender-Aspekte für Fragen der individuellen Entwicklung vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Erwartungen an Familie und Beruf, insbesondere für Karriereentwürfe und Führungskompetenzen.

Um Wiederholungen zu vermeiden, ist eine Abstimmung unter den Modulbeauftragten eines Studiengangs auch nach Fragestellungen und Zugängen zum Gender-Wissen sinnvoll.

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Studienphase:

In jeder Studienphase können Inhalte der Frauen- und Genderforschung vermittelt werden. Dies ist abhängig von Themen bzw. in Relation zur Vermittlung von Wissen über Prozesse und Strukturen in pädagogischen Handlungsfeldern und Berufs- und Fachkulturen bzw. von Forschungsfeldern. Grundsätzlich ist Geschlecht als soziale und strukturierende Kategorie für jede Lebensphase und für jeden Lebens- und Arbeitsbereich, für jede Bildungs- und Ausbildungseinrichtung und für jeden Entwicklungs- und Sozialisationsprozess in der Gesellschaft ein Thema.