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Gender Curriculum Sportwissenschaft

Weiter relevant für: Lehramt Sport, Diplom Sport

Fach: Sportwissenschaft
Fächergruppe/n: Sport

Lehrziele:

Die Studierenden sollen Kenntnisse aus der sportbezogenen Geschlechterforschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften sowie Naturwissenschaften und Medizin erwerben und Wissen über ihre Konsequenzen für die Praxis erlangen. Ziel ist es, dass die Studierenden geschlechtsbezogene Phänomene im Sport identifizieren und erklären sowie für die planerische und pädagogische Praxis kritisch reflektieren können.

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Lehrinhalte/fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung:

Die sportbezogene Geschlechterforschung ist ein multi- und interdisziplinärer Wissenschaftsbereich, der sich traditionell aus den Fächern Soziologie, Psychologie und Pädagogik zusammensetzt. Erst in jüngster Zeit sind auch Arbeiten aus den Naturwissenschaften und mit interdisziplinären Ansätzen entstanden. Die Geschlechterforschung im Sport geht Fragestellungen in verschiedenen Themenfeldern in Theorie, Empirie und Praxis nach. Im Folgenden werden die wichtigsten Felder beschrieben.


Soziologische Geschlechterforschung im Sport

Neuere soziologische Arbeiten bauen zumeist auf sozialkonstruktivistischen Theorien auf. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der sozialen Konstruktion von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen im und durch Sport. Im Folgenden werden die wichtigsten Themenfelder kurz beschrieben.

  • Partizipation und Praxis – Sporttreiben aus Geschlechterperspektive. Ein zentrales Thema der soziologischen Geschlechterforschung ist die Frage, wie sich Frauen und Männer, Mädchen und Jungen in den verschiedenen Sinnhorizonten des Sports (Leistung, Freizeit, Gesundheit) bewegen und welche Bedürfnisse und Motive Menschen veranlassen, sich in welcher Lebensphase wo und wie am Sport zu beteiligen. Verschiedenste empirische Befunde deuten darauf hin, dass das Sportengagement geschlechtsbezogen strukturiert ist. Wie stark diese Geschlechterordnung in den verschiedenen sportlichen Handlungsfeldern ausgeprägt ist, welche Veränderungen sich in den letzten Jahren im Zuge der Transformation von Geschlechterverhältnissen für den Sport ergaben und wie die geschlechtsbezogene Partizipation am Sport mit anderen Kategorien sozialer Ungleichheit verwoben ist, sind weitere Fragen, die empirisch bearbeitet wurden.
  • Soziale Strukturen und Organisationen im Sport aus Geschlechterperspektive. Im Zentrum des Themas steht die Frage nach Charakter und Einfluss von Strukturen, Regeln und kulturellen Werten der verschiedenen Organisationen des Sports in Bezug auf die Gestaltung der Geschlechterordnung. Im Mittelpunkt sind also nicht die sportlich aktiven Individuen, sondern die korporativen Akteure, die den Rahmen für sportliche Aktivität bereitstellen. Vor dem Hintergrund von Organisations- und Geschlechtertheorien werden in den Forschungsarbeiten z. B. die Schule mit ihrem ‚heimlichen Lehrplan’, die Sportvereine und -verbände, die traditionell von Männern geführt werden, und kommerzielle Anbieter wie Fitness-Studios, die spezifische Bilder von Frauen und Männer vermitteln, analysiert. In Anlehnung an die soziologischen Analysen der Organisationen des Sports werden auch geschlechtsbezogene Maßnahmen zur Sportentwicklung und -politik entworfen sowie wissenschaftlich evaluiert, z. B. Gender Mainstreaming, Diversity-Management im Sport.
  • Die soziale Konstruktion von Geschlecht in sportbezogenen Medien. Die immense Bedeutung der Medien für unser Wissen von der Welt ist auch für den Sport unumstritten. Die Darstellung des Sports in den Medien ist maßgeblich für das Bild von Sport in der Gesellschaft verantwortlich. Forschung in diesem Bereich thematisiert, wie das Geschlechterverhältnis im Sport durch die Medien konstruiert wird, und zwar sowohl mit Blick auf die klassischen Medien der Sportberichterstattung (Tageszeitungen, Fernsehen, Radio) als auch mit Blick auf weitere Medien (Kino, Bücher). Inhaltsanalytische Befunde der quantitativen und qualitativen Forschung zur Berichterstattung über SportlerInnen werden in einen konstruktivistischen sowie kommunikationstheoretischen Zusammenhang gesetzt. Dabei wird die Konstruktion von Geschlecht als ein mehrstufiger Kommunikationsprozess skizziert, an dem sowohl die SportlerInnen selbst mit ihrer medialen Selbstvermarktung als auch die RezipientInnen sowie die Sportredaktionen beteiligt sind. Erste Forschungsansätze gibt es zur Darstellung von Geschlecht in sportbezogenen Unterhaltungsfilmen und in Kinderbüchern, die einen Sportbezug aufweisen. In jüngster Zeit wird auch die Bedeutung von MediensportlerInnen als Vorbilder für Jugendliche in den Blick genommen. Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund, dass Jugendstudien einen hohen Anteil von männlichen Jugendlichen mit einem Mediensportler als Vorbild identifizierten.
  • Gewalt und Risikoverhalten im Sport aus Geschlechterperspektive. Gewalthandlungen und riskante Verhaltensweisen betreffen in der Regel den Umgang mit dem Körper und haben deshalb für den Sport eine besondere Relevanz. Des Weiteren treten im Sport spezielle Gewaltphänomene auf, die nur hier und nicht in anderen gesellschaftlichen Bereichen vorkommen, (z. B. Gewalt im Stadion; Fouls in Teamsportarten). Das Thema wird aus der Geschlechterperspektive bislang zwar nur randständig behandelt, aber zu einigen Themen wurden erste Studien durchgeführt, z. B. sexuelle Gewalt im Sport, gewalttätige Ausschreitungen zwischen männlichen Fußballfans und Risikoverhalten im Sport (z. B. Extremsport, Essstörungen).

Pädagogische Geschlechterforschung im Sport


Das Ziel einer geschlechtsbezogenen Pädagogik ist die Herstellung von Chancengleichheit und Entwicklungsfreiheit für beide Geschlechter. Die Kategorie Geschlecht ist für mindestens drei Elemente von Vermittlungsprozessen relevant: Lehrperson, SchülerIn, Inhalt. Die Entwicklung von Konzepten der geschlechtsbezogenen Pädagogik hat sich in zwei verschiedenen Feldern vollzogen: im Schulsport und in der sportbezogenen außerschulischen Jugendarbeit.

  • Die Koedukationsdebatte: gemeinsames oder getrenntes Sporttreiben von Mädchen und Jungen. Die Diskussion um das gemeinsame oder getrennte Sporttreiben von Mädchen und Jungen hatte innerhalb der Sportpädagogik in den 1970er und 1980er Jahren Konjunktur. Nachdem das Thema zwischenzeitlich aus dem Blick geraten war, wird es seit Neuestem unter der Perspektive der sozialen Konstruktion von Geschlecht im Sportunterricht wieder aufgegriffen.
  • Parteiliche Mädchenarbeit und reflektierte Jungenarbeit im Sport. Unter Bezugnahme auf die sportunabhängige parteiliche Mädchenarbeit und reflektierte Jungenarbeit wurden in den 1990er Jahren Konzepte einer Mädchenarbeit im Sport und später auch einer Jungenarbeit im Sport entwickelt.
  • Identitätsentwicklung, Sport und Geschlecht. Identitätsentwicklung vollzieht sich in einem Prozess ständiger Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt. Das Verhältnis zum Körper als sichtbares Zeichen der Identität spielt bei diesem Prozess eine zentrale Rolle. Die Entwicklung eines positiven Körperselbstbildes scheint für Frauen insgesamt andere Herausforderungen mit sich zu bringen als für Männer. Körperkonzepte stehen wiederum immer auch im Zusammenhang mit Sport und Bewegung. Wie diese Zusammenhänge aussehen und wie Männer und Frauen sowie Mädchen und Jungen damit umgehen, wurde für verschiedene Bereiche erforscht, z. B. in der frühkindlichen Bewegungsförderung, bei Frauen in männerdominierten Sportarten, in Bezug auf Sport, Leistung und Männlichkeit und in Bezug auf Sport, Ethnizität und Geschlecht.

Psychologische Geschlechterforschung im Sport


Psychologische Arbeiten in der sportwissenschaftlichen Geschlechterforschung beschäftigen sich mit einem breiten Spektrum an Themen und bauen auf verschiedenen theoretischen Ansätzen der Psychologie auf. Die wichtigsten Themenfelder werden im Folgenden kurz dargestellt.

  • Psychosoziale Entwicklung und ihre Bedeutung für den Sport. Im Fokus der Forschung stehen psychosoziale Determinanten sportlicher Aktivität (z. B. Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Gewaltbereitschaft) und ihre geschlechtsbezogenen Ausprägungen, insbesondere unter dem Blickwinkel der verschiedenen Lebensphasen.
  • Training unter geschlechtsbezogener Perspektive. Das (leistungssportliche) Training ist bestimmt von der Interaktion zwischen TrainerIn und AthletIn bzw. Team. Im Zentrum der Forschungen steht die Frage, welche Rolle das Geschlecht der Trainerin/des Trainers und das Geschlecht der AthletInnen bei dieser Interaktion spielt und inwiefern die Leistung hiervon beeinflusst ist.
  • Karrieren im Leistungssport und Drop out aus der Geschlechterperspektive. Die sportpsychologische Forschung hat die Bedeutung von Rahmenbedingungen des Leistungssports für die SportlerInnen, das Karriereende und insbesondere das Drop out von jugendlichen LeistungssportlerInnen in den Blick genommen. Dabei zeigen sich sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten bei AthletInnen. Ziel verschiedener Projekte ist die verbesserte Beratung und Betreuung während der sportlichen Laufbahn, um zum einen ein frühzeitiges Karriereende zu vermeiden und zum anderen das (un-)geplante Karriereende zu begleiten und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.
  • Gestörtes Essverhalten von SportlerInnen. Die Gefährdung von SportlerInnen, an Essstörungen zu erkranken, ist je nach Sportart sehr unterschiedlich. Eine besondere Gefährdung geht von den ästhetischen, gewichtsbezogenen und Ausdauersportarten aus. Dabei zeigt sich eine deutlich höhere Gefährdung von Sportlerinnen als von Sportlern. Studien gehen insbesondere der Entstehung von Essstörungen nach. Ziel ist es u. a., präventiv ausgerichtete Schulungsmaßnahmen für TrainerInnen zu erarbeiten, um frühzeitige Interventionen zu ermöglichen.
  • Selbstkonzept und Körperkonzept aus der Geschlechterperspektive. Psychologische Studien gehen der Frage nach, inwiefern die Sportaktivität mit dem Selbst- und dem Körperkonzept von Personen zusammenhängt. Bedeutsame Fragestellungen beziehen sich auf die Struktur und Entwicklung des Selbstkonzepts über die Lebensspanne, auf seine Beeinflussbarkeit durch Sport und Bewegung oder auf seinen moderierenden Einfluss, z. B. auf die AthletInnenidentität. Insbesondere mit Blick auf Kinder und Jugendliche werden die extrasportiven Sozialisationseffekte des Sports untersucht. Hierbei wird jeweils die Bedeutung des Geschlechts herausgestellt.

 

Biomedizinische Geschlechterforschung im Sport

Sportliche Aktivität und körperliche Leistungsfähigkeit sind u. a. durch biomedizinische Aspekte determiniert. Aus dieser Sicht wurde das Thema Frauen im Sport lange Zeit ignoriert oder unter der Perspektive die ‚Besonderheit Frau’ diskutiert. Dies dokumentiert sich in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der ‚Triade der sporttreibenden Frau’ (Osteoporose, Zyklusstörungen und Essstörungen). Erst neuere naturwissenschaftliche Forschung im Sport versucht, die Geschlechterunterscheidung nicht mehr als selbstverständlich hinzunehmen, sondern kritisch mit den vorhandenen sportwissenschaftlichen Befunden zur Geschlechterdifferenz umzugehen. Erkenntnisse zu anatomischen und physiologischen Determinanten sportlicher Aktivität werden hinsichtlich der Differenz und Gleichheit der Geschlechter analysiert und in ihren Auswirkungen auf das Sporttreiben von Frauen und Männern beleuchtet (z. B. biomechanische Kräfteverhältnisse, Maximalkraft, hormonelle Aspekte, Menstruationszyklus der Frau). Dabei wird auch ein kritischer Blick auf die Dichotomie des Geschlechterverhältnisses geworfen und die z. T. geschlechtsunabhängige Variabilität der biogenetischen Determinanten in den Blick genommen.

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Integration der Inhalte der Geschlechterforschung in das Curriculum:

Grundsätzlich ist der Geschlechteraspekt ein Querschnittsthema. Die genannten Inhalte sollten idealerweise in die verschiedenen Studienbereiche integriert werden. Dazu müssten zum einen in den grundlegenden Studien (naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche, pädagogische Aspekte im Sport) Theorien des Geschlechts und der Geschlechterverhältnisse sowie empirische Erkenntnisse thematisiert und aufgearbeitet werden sowie zum anderen im Hauptstudium je nach Studienprofil in spezifischen Bereichen vertieft werden. Diese Vertiefung kann in den fachbezogenen Modulen oder in expliziten Gender-Studies-Modulen geschehen. Eine Kombination daraus wäre die effektivste Umsetzung. Module mit einem Fokus auf Geschlechterforschung könnten sein:

  • Managing Diversity” als allgemeines Modul, in dem für soziale Ungleichheiten im Sport sensibilisiert wird und Konsequenzen für die planerische und pädagogische Praxis unter Einbezug von Gender Mainstreaming und sozialer Integration aufgezeigt werden.
  • „Geschlechtsbezogene Pädagogik” als Modul, in dem die Relevanz von Geschlecht in pädagogischen Situationen aufgearbeitet wird und Konzepte der geschlechtsbezogenen Pädagogik vermittelt werden.
  • Module, in denen empirische Befunde zu spezifischen Themenfeldern der Sportwissenschaft aus der Perspektive der Geschlechterforschung dargestellt werden und darauf aufbauend Konsequenzen für die verschiedenen Bereiche des Sports abgeleitet werden (z. B. Politik, Schule, Sportorganisationen, Freizeit).
    Mögliche Module:
    • „Gesundheit, Sport und Geschlecht”
    • „Medien, Sport und Geschlecht”
    • „Geschlechterverhältnisse in Sportorganisationen”
    • „Alter, Sport und Geschlecht”
  • „Geschlecht und Sport aus naturwissenschaftlicher Perspektive” als Modul, in dem sportbezogene Befunde der Naturwissenschaften aus der Perspektive der Geschlechterforschung dargestellt werden und darauf aufbauend die daraus resultierenden Konsequenzen für Training, Freizeit, Rehabilitation, Prävention etc. aufgearbeitet werden.

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Studienphase:

Geschlechtertheorien sollten schon in den einführenden Veranstaltungen thematisiert werden. Das Modul „Managing Diversity” sollte ebenfalls zu Beginn des Studiums angeboten werden, da hier grundlegend für das Thema sensibilisiert wird. Die anderen oben genannten Module sollten darauf aufbauend angeboten werden, d. h. ab dem dritten Semester.
Vertiefungen in Masterstudiengängen sind auf jeden Fall sinnvoll.