Skip to main content

Gender Curriculum Romanistik

Weiter relevant für: Französistik, Frankoromanistik, Hispanistik, Lateinamerikanistik, Lusitanistik, Brasilianistik, Italianistik sowie weitere Fächer, die sich mit Literaturen und Kulturen der Romania beschäftigen.

Fach: Romanistik
Fächergruppe/n: Geisteswissenschaften

Lehrziele:

Die Studierenden machen sich mit Theorien und Methoden der Geschlechterforschung vertraut und arbeiten davon ausgehend produktiv und kritisch an Gegenständen der romanischen Literatur- und Kulturwissenschaft. Im B.A.-Studium geschieht dies z.B. in Gestalt eines einführenden Moduls (s.u.), in Masterstudiengängen soll es den Studierenden gelingen, sich zunehmend auch selbständig zu positionieren. Sie können unter Rückgriff auf grundlegende methodische Ansätze der Geschlechterforschung sowie der romanischen Literatur- und Kulturwissenschaft die Modellierung von Geschlecht in literarischen und ggf. weiteren kulturellen Artefakten der Romania identifizieren, unter Berücksichtigung des jeweiligen historischen wie kulturellen Kontextes deuten und kritisch hinterfragen.

nach oben

Lehrinhalte/fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung:

Fachteile/-gebiete:

Neben der seit längerem etablierten Frauen- und Geschlechterforschung sind Teildisziplinen der Gender Studies auch in der Romanistik weiterhin in einem Prozess der Ausdifferenzierung begriffen. Insbesondere sind hier die Gay & Lesbian Studies, die Masculinity Studies respektive Men’s Studies sowie in gewisser Weise auch die Queer Studies zu nennen. Wohingegen sich die Masculinity Studies dezidiert als Teil der Gender Studies verstehen, sollten die Queer Studies ausgehend von ihrem Selbstverständnis nicht simplistisch unter die Gender Studies subsummiert werden, da bei queeren Lektüren eine Überwindung der für die Frauen- und Geschlechterforschung und die Gender Studies zentralen Kategorie ‚Gender‘ angestrebt wird.

Methodische und theoretische Zugänge:

Nimmt man den Begriff ‚Geschlechterforschung‘ oder ‚Gender Studies‘ als vorläufigen, tentativen Oberbegriff für die genannten Fachteile und -gebiete, wird deutlich, dass dieses Fach ganz prinzipiell inter- und transdisziplinär aufgestellt ist. In diesem Sinne gibt es strenggenommen keine rein romanistischen Theorien oder Methoden, die das Fach ‚romanistische Geschlechterforschung‘ prägen. Methodische und theoretische Zugänge sind folglich prinzipiell vergleichbar mit den Angaben, die sich zu anderen geisteswissenschaftlichen Fächern in dieser Datenbank finden. Von besonderer Bedeutung in den aktuellen Gender Studies sind jedoch weiterhin methodische Ansätze, die auf Theorien des Poststrukturalismus‘ basieren. Ebenfalls finden sich Arbeiten, die mit hermeneutischen und – mit Blick auf narrative Texte – feministisch-narratologischen Modellen operieren. Hinzukommt ein bedeutender Einfluss von Theorien soziologischer Provenienz, die nicht allein eine traditionelle Frauen- und Geschlechterforschung informieren, sondern z.B. in den Masculinity Studies mit der australischen Soziologin Raewyn Connell auch allmählich in der Romanistik Fuß fassen.

Handlungs- und Praxisfelder sowie aktuelle Professionsaspekte:

Im Vergleich zu anderen (Sozial-)Wissenschaften mit einem Fokus auf ‚Geschlecht‘ ist die Romanistik nicht im selben Maße auch auf konkretes Handeln in der Gesellschaft oder konkrete Praxisfelder bezogen. Dies bedeutet nicht, dass die Ergebnisse einer romanistischen Geschlechterforschung keinerlei Relevanz für Gesellschaft, Politik und Praxis hätten, es ist allerdings zu konstatieren, dass innerhalb der Romanistik Aspekte einer ‚Third Mission‘ immer noch wenig ausgebildet scheinen.

Bezogen auf das Studium der Romanistik ist als Desiderat, insbesondere mit Blick auf Gender-Aspekte in der romanistischen Lehre, zu benennen, dass Berufsfelder den Studierenden deutlicher werden müssten, in denen ‚Gender-Wissen‘ bzw. ‚Gender-Kompetenz‘ von Relevanz ist. Ein mögliches Instrument ist in diesem Kontext die Integration von Praktika in den Studienverlauf, z.B. auf freiwilliger Basis, aber flankiert durch Beratungsangebote der Fachstudienberatung. Da in der Romanistik traditionell die Lehramtsstudiengänge der drei in Deutschland etablierten romanischen Schulsprachen (Spanisch, Französisch, Italienisch) dominieren, ist es Aufgabe dieser Studiengänge (z.B. im Master of Education), die Praxisrelevanz von ‚Gender-Kompetenz‘ nicht allein deutlicher werden zu lassen, sondern über entsprechende Lehrangebote diese Kompetenz auch konkret zu fördern. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat in diesem Kontext 2016 „Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung“ formuliert, die Lehrer_innen einen entsprechend kompetenten Umgang mit Schüler_innen im Unterricht abverlangen. Dies schließt auch die Fähigkeit ein, Gender-Aspekte an relevanten Unterrichtsgegenständen herauszuarbeiten und damit die Schüler_innen zu befähigen, sich selbst mit Modellierungen von Gender auseinanderzusetzen und eine eigene Sensibilität für Gender zu entwickeln.

Eine umfassende Implementierung der Gender Studies in den romanistischen Curricula, gerade auch im Lehramt, steht hingegen noch weitgehend aus, so dass sich gerade hier Handlungsbedarf zeigt. Dies gilt umso mehr, als die genannten „Leitlinien“ der KMK offenlassen, wie die dort geforderte ‚Gender-Sensibilität‘ konkret im Unterricht verankert werden kann. Ohne entsprechende Kompetenzen und ohne ein fundiertes Wissen über Theorien, Gegenstände und Methoden der Gender Studies dürfte es den späteren Französisch-, Italienisch- und Spanischlehrkräften jedenfalls nicht leichtfallen, diesen „Leitlinien“ entsprechend zu unterrichten.

nach oben

Integration der Inhalte der Geschlechterforschung in das Curriculum:

Bislang finden sich in den romanistischen Curricula deutschsprachiger Universitäten zwar Ansätze einer Integration der Gender Studies, ein eigener Studiengang im Sinne einer romanistischen Geschlechterforschung ist jedoch noch nicht zu finden. Ob ein solcher Studiengang nötig ist, bleibt offen, wenn man die prinzipiell fachübergreifende Aufstellung der Gender Studies bedenkt, die sich in interdisziplinären Masterstudiengängen, ggf. mit romanistischen Anteilen, niederschlägt. Davon unabhängig ist aber eine stärkere Integration von Inhalten der Geschlechterforschung in romanistische Curricula nicht allein sinnvoll, sondern auch – wie oben ausgeführt – geboten. Dies kann sowohl in Gestalt einzelner Module als auch durch ein regelmäßiges Angebot einzelner Veranstaltungen mit einem klaren Gender-Bezug geschehen. Prinzipiell vorzuziehen wäre aus Perspektive der Gender Studies gewiss die curriculare Verankerung, v.a. in Gestalt eines einführenden Theorie-Moduls.

Es muss jedoch auch in Rechnung gestellt werden, dass die Romanistik sich vielfältiger Herausforderungen und Implementierungswünschen gegenübersieht. Für die Lehramtsstudiengänge wäre z.B. die in manchen Bundesländern verpflichtende Vergabe von Credit Points für Veranstaltungen zur Inklusionsthematik zu nennen. Es ist klar, dass die Romanistik nicht alle Gegenstände, die prinzipiell sinnvoll wären, in einen Studiengang integrieren kann. Zugleich ist zu beachten, dass Inter- und Transdisziplinarität erst dann produktiv werden können, wenn Grundzüge einer Disziplin (hier: der Romanistik) von den Studierenden gemeistert wurden. Es wird in der Praxis also mit einiger Wahrscheinlichkeit wohl erst einmal nicht auf eine elaborierte Modulstruktur mit klarem Gender-Bezug in den meisten romanistischen Studiengängen hinauslaufen (können), sondern darum gehen, auf der Ebene einzelner Veranstaltungen (Vorlesung, Seminar, Übung) ein regelmäßiges Angebot im Kontext der Gender Studies zu gewährleisten. Dies ist selbst mit Blick auf typische, regelmäßig wiederkehrende Themen der romanischen Literatur- und Kulturwissenschaft bei genauerer Betrachtung inhaltlich keine große Herausforderung, da Gender in praktisch jedem kulturellen Artefakt der Menschheit, teils implizit, mit verhandelt wird. Ist es z.B. vorstellbar, ein Seminar der Princesse de Clève (Madame de La Fayette) oder den Précieuses ridicules (Molière) zu widmen, ohne dass die Kategorie ‚Weiblichkeit‘ relevant für die Lektüre würde? Wie wollte man Molières Dom Juan oder Mozarts bzw. Da Pontes Don Giovanni betrachten, ohne die Frage aufzuwerfen, was für eine Männlichkeit dieser moderne Mythos repräsentiert? Und ließe sich das Theater des spanischen Siglo de Oro behandeln, ohne dass gerade im Ehrendrama die Frage nach den Geschlechterbeziehungen aufgerufen wird? Oder könnten wir bei Boccaccios Decamerone bzw. Marguerite de Navarres Heptaméron von ‚Geschlecht‘ abstrahieren? Nämliches gilt für jede Form der Liebeslyrik über alle Epochen hinweg: Jeweils geht es dort auch um poetische Figurationen von Geschlechtlichkeit.

Diese Aufzählung einzelner Werke des romanischen Höhenkamms soll nicht dazu verführen, einen Kanon erneut festzuschreiben, der gerade aus den Gender Studies heraus zu Recht vielfältige Kritik auf sich zog und zieht. Die relativ beliebige Liste soll vielmehr zeigen, dass wir in unserer Lehre kaum der Kategorie ‚Geschlecht‘ entgehen können. Zugleich bietet dies für die Implementierung der Gender Studies in Studiengänge der Romanistik eine große Chance, selbst wenn ein eigenes Modul sich nicht verwirklichen lässt: Sensibilität für und Interesse an Gender-Fragen bei vielen Dozierenden der Romanistik einmal vorausgesetzt, eröffnet sich die Option, dass über die konkrete Lehre die Studierenden an Gegenständen ihres Faches zugleich mit Grundfragen, Theorien und Methoden der Gender Studies vertraut gemacht werden. Relativ niedrigschwellig ließe sich dies an vielen Instituten und Seminaren dadurch fördern, dass sich Kolleg_innen mit einem Forschungsinteresse in den Gender Studies noch stärker vernetzen – nicht allein auf der Ebene der Antragsstellung für Drittmittel, sondern eben auch bei Fragen der Lehrplanung.

Wenn man also davon ausgeht, dass Gender als Kategorie von prägender Kraft für die Entfaltung von Kultur(en) war (und ist?), bietet sich eine nicht zu überblickende Fülle von Themen an, die geeignet sind, in Grundfragen der Gender Studies einzuführen und gerade auch bei Lehramtsstudierenden die von der KMK verlangte ‚Gender-Sensibilität‘ zu fördern. Neben den genannten Beispielen, in denen Gender expliziter Gegenstand des jeweiligen literarischen Werks ist, kann auch bei anderer thematischer Schwerpunktsetzung in Seminaren punktuell (und exemplarisch) auf Gender-Aspekte eingegangen werden. Ein paar Beispiele mögen dies illustrieren – diese sind wiederum aufgrund des größeren Bekanntheitsgrades dem traditionellen Kanon entnommen: Man behandelt Balzacs Romanwerk als Beispiel für die Epoche des Realismus? Warum also nicht eine Seminarsitzung der Frage von Vaterschaft im Père Goriot widmen? Im Zentrum einer Veranstaltung steht das Menschenbild der französischen Aufklärung (z.B. als kulturwissenschaftliche Vorlesung)? Weshalb nicht den Encyclopédie-Artikel „Femme“ und die Figur der Sophie in Rousseaus Émile in den Blick nehmen und mit Olympe de Gouges Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne kontrastieren? Oder soll etwa Baudelaire als Skandalautor untersucht werden? Vielleicht wäre ein Blick auf den poetischen Entwurf lesbischer Liebe in den Fleurs du Mal von Interesse. (Hier könnte diskutiert werden, ob und inwiefern es sich um eine ‚Männerfantasie‘ im Sinne Theweilts handelt und als Theorieinput der Male Gaze eingeführt werden). Leicht ließe sich diese Liste für spanischsprachige und die italienische Literatur fortsetzen, aus Platzgründen mag dies aber für einen ersten Eindruck genügen, der deutlich werden ließ, dass Gender Studies in der Romanistik nicht erst dann in der Lehre ankommen, wenn es uns gelingt, entsprechende Module zu implementieren (was jedoch das Ideal wäre), sondern dass der Alltag universitärer Lehre vielfältige und sehr konkrete Optionen bietet, wie Perspektiven der Gender Studies (und der genannten Teildisziplinen bzw. angrenzender Disziplinen) stark gemacht werden können.

nach oben

Studienphase:

Im B.A.-Studium erscheint es sinnvoll, die Studierenden exemplarisch mit Theorien und Methoden der Geschlechterforschung vertraut zu machen und dies an einzelne, prototypische Gegenstände der romanischen Literatur- und Kulturwissenschaft heranzutragen. Es ist zu überlegen, ob sich gewisse Theorie-‚Klassiker‘ aus der Romania hier (eventuell in Auszügen) empfehlen, z.B. Simone de Beauvoirs bahnbrechendes und relativ einfach zugängliches Werk Le Deuxième Sexe (1949). Wie ausgeführt wird der Leser/die Leserin in (fast) allen literarischen Texten mit Figuren konfrontiert, die als fiktionale Entwürfe von Weiblichkeit, Männlichkeit und (spätestens ab dem 20. Jahrhundert) auch Intersexualität erscheinen. Dieser basale Befund kann einen guten Ausgangspunkt bereitstellen, den Blick der Studierenden für die Faktur dieser Fiktionen zu schärfen.

In Masterstudiengängen soll das im B.A. Erreichte ausgebaut und vertieft werden. Als mögliche Vertiefungsoptionen sind denkbar:

(1) Vertiefung im Feld von Theorie und Methodik, also die Konfrontation mit aktuelleren Theorieentwürfen; eine Vertiefung ist anzuraten, die nun weg von eurozentrischen und US-amerikanischen Entwürfen dezidiert „Southern Theory“ (Connell) aus der Romania Nova einbindet (z.B. aus der Karibik, aus Afrika und Lateinamerika);

(2) diachrone Vertiefung: Standen im B.A. womöglich in erster Linie Werke und Artefakte der (erweiterten) Gegenwart im Zentrum einer lebensweltnahen Konfrontation der Studierenden mit Fragestellungen der Geschlechterforschung, bietet sich spätestens in den Masterstudiengängen auch ein Blick auf historische Modellierungen von Gender an (19. Jahrhundert sowie sog. ‚Ältere Literatur‘: Mittelalter, Frühe Neuzeit). Damit verbunden kann die Erkenntnis sein, dass gerade diese vergangenen Epochen einen faktischen Nachweis für ein theoretisch-philosophisch gewonnenes Axiom der Gender Studies bereitstellen: Dass sich ‚Geschlecht‘ nämlich nicht simplistisch aus der Biologie ableiten lässt, wird sichtbar, wenn man sich (exemplarisch) fiktionale Geschlechtskonstruktionen der Vergangenheit vor Augen führt (z.B. adlige Dame und Regentin, Bürgerstochter und großbürgerliche Mutter, Fabrikarbeiterin bzw. Ritter, Kavalier, Höfling, bürgerlicher pater familias, Manager, etc.). Dabei ist zu beachten, dass fiktionale Werke soziokulturelle Realitäten nicht einfach abbilden; sie zeigen aber, wie ‚Weiblichkeit‘ und ‚Männlichkeit‘ wahrgenommen, diskutiert und ggf. auch kritisiert werden kann.

(3) Intersektionale Vertiefung: ‚Gender‘ ist keine diskrete Kategorie in einem luftleeren Kulturraum, sondern in steter, teils nicht konfliktfreier Interaktion mit anderen soziokulturellen Kategorien (u.a. race, class und sexuelle Orientierung) begriffen. Es liegt daher in den Masterstudiengängen auch eine Vertiefung in dem Sinne nahe, dass z.B. Homosexualität stärker thematisiert wird, postkoloniale Theorie mit in den Blick gerät und mit Fragestellungen der Geschlechterforschung verbunden wird. In besonderem Maße liegt dies auf den ersten Blick bei Themen nahe, die der Romania Nova entstammen (z.B. Weiblichkeit in maghrebinisch-frankophonen Romanen, ‚Machismo‘ in lateinamerikanischen Filmen, usf.), oder auf einen Migrationskontext verweisen (z.B. Weiblichkeit/ Männlichkeit in der littérature „beur“ in Frankreich). Dies darf aber nicht so verstanden (und den Studierenden vermittelt) werden, als sei Gender in intersektional-postkolonialen Gefügen nur im Modell des gleichsam ‚Exotischen‘ relevant. Die Perspektive der Critical Whiteness Studies mag hier hilfreich sein, und auch Connell hat in seinem pluralen Modell von Männlichkeit(en) intersektionale und implizit auch postkoloniale Aspekte eingebunden: Die Konstruktion von Gender ist auch davon geprägt, ob wir es z.B. mit einer Figur aus der Arbeiterklasse oder aus der Oberschicht, mit weißer oder dunkler Hautfarbe, usw., zu tun haben.

(4) Vertiefung jenseits des traditionellen Kanons: Aktuell dürfte ein eher undogmatischer Umgang mit kanonischen wie nicht- oder noch-nicht-kanonischen Werken der Romania an deutschsprachigen Universitäten vorherrschen. Problematisch wäre es aber wohl, wenn in einem Studium der Romanistik durchgängig im B.A. wie in den Masterstudiengängen allein der traditionelle Kanon die Lehre dominierte. Den Studierenden muss (exemplarisch) klar werden, wie dieser Kanon durch Ausschlussprinzipien etabliert wurde, die v.a. auch das Geschlecht der Autor_innen fokussierten, also Frauen bis weit ins 19., teils noch im 20. Jahrhundert vom Zugang zu diesem Kanon ausschlossen. Mutatis mutandis gilt dies auch für Autoren aus einem kolonialen wie postkolonialen Kontext (und verschärft sich eventuell bei Autorinnen aus der Romania Nova). Der traditionelle Kanon sollte also spätestens im Master aufgebrochen werden. Dies kann durch die dezidierte Aufnahme von Autorinnen in Veranstaltungen des Vorlesungsverzeichnisses oder auch durch Kontrastierung (männlich dominierter Kanon vs. weibliches Scheiben) geschehen. Ein Beispiel mag dies (und gerade auch diachrone Ausschlussprinzipien der Kanonbildung) verdeutlichen: Möchte man ein Seminar zur Novellistik in der spanischen Barockliteratur anbieten, kann man z.B. Cervantes mit María de Zayas vergleichen: Diese Autorin war zu ihrer Zeit (17. Jahrhundert) berühmt, geriet aber spätestens im bürgerlichen 19. Jahrhundert in Vergessenheit, wurde also auch nicht Teil des bürgerlichen Literaturkanons. Ein stures Festhalten am traditionellen Kanon gilt es also zu überwinden – zugleich erscheint es aber auch nicht produktiv, auf die Behandlung des sog. Höhenkamms radikal zu verzichten, denn es gilt zu bedenken, dass Figuren dieser kanonischen Werke eine prägende Kraft in der jeweiligen Kultur, vermittelt über Schule und Universität sowie weitere Bildungsinstitutionen, hatten. Die Princesse de Clève, Madame Bovary, Don Juan, Don Quijote, Sancho Panza und Dulcinea oder auch Petrarcas Laura seien hier als mögliche Beispiele genannt. Es wird also darum gehen, Kanon, Kanonkritik und Gegen-Kanones angemessen im Studium aus einer konsequenten Gender-Perspektive zu gewichten bzw. im Idealfall einen kritischen Dialog zwischen diesen Werken zu stiften.