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Gender Curriculum Public Health

Zum Teil weiter relevant für: Medizin, Pflege und therapeutische Berufe

Fach: Public Health
Fächergruppe/n: Humanmedizin/ Gesundheitswissenschaften

Lehrziele:

Im Zentrum steht die Vermittlung geschlechtersensibler methodischer Konzepte und theoretischer Grundlagen zu biologischen, psychischen und sozialen Dimensionen von Gesundheit und Krankheit. Ziele sind, die Studierenden für Geschlechtsunterschiede in Gesundheit und Krankheit sowie für geschlechtsbezogene Einflussfaktoren auf Gesundheit, Krankheit und gesundheitsrelevantes Verhalten zu sensibilisieren und ihre Relevanz im Zusammenspiel mit anderen Variablen sozialer Differenzierung einzuschätzen. Dazu gehören sowohl Kenntnisse epidemiologischer Daten und der Unterschiede in den (sozialen) Lebenslagen von Frauen und Männern als auch die geschlechtersensible Analyse des Versorgungssystems. Dies umfasst genauso die medizinische wie auch die psychosoziale Versorgung in der gesamten Interventionskette (Prävention, Gesundheitsförderung, Therapie, Rehabilitation und Pflege). Die Studierenden sollen befähigt werden, geschlechterdifferenzierte Bedarfslagen und Bedürfnisse in der Gesundheitsversorgung einschließlich Prävention zu analysieren und daraus resultierende Anforderungen an die Versorgung zu erarbeiten. Sie sollen zudem den Einfluss des Geschlechts auf die ökologischen und ökonomischen Determinanten der Gesundheit abschätzen können.

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Lehrinhalte/fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung:

Public Health ist eine Multidisziplin, die unterschiedliche theoretische und methodische Perspektiven auf Fragen von Gesundheit und Krankheit sowie der Organisation der Gesundheitsversorgung zusammenbringt. Zentrale Fächer sind Epidemiologie, Medizin, Psychologie, Gesundheitsökonomie, Sozialwissenschaften und Pädagogik, in denen die Geschlechterdimension jeweils in unterschiedlichen Aspekten von Relevanz ist. Die Multidisziplinarität setzt sich entsprechend auch in geschlechterbezogenen Lehrinhalten von Public Health fort. Sie bietet einerseits höhere Anforderungen, aber andererseits auch neue Chancen, die Vielschichtigkeit der Kategorie Geschlecht und feministischer Ansätze sowie den Querschnittscharakter der Geschlechterforschung zu erfassen und in ihrer Interaktion mit anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit zu beleuchten (Intersektionalität).

In Public Health sind biologische und soziale Dimensionen der Kategorie Geschlecht zu berücksichtigen. Es geht

  1. um Wechselwirkungen biologischer und sozialer Einflüsse auf Gesundheit und Krankheit,
  2. um die Analyse des ‚gender bias’ im Versorgungssystem und in der gesundheitswissenschaftlichen Forschung und
  3. um die Entwicklung gendersensibler Versorgungskonzepte,das frauenspezifische und männerspezifische Versorgungsangebote einschließt.

Fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung in Public Health haben demzufolge zahlreiche Schnittstellen mit medizinischen, psychologischen und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen der Geschlechterforschung.

  • Public Health greift auf Ergebnisse der Geschlechterforschung in der Medizin und in den naturwissenschaftlichen Disziplinen zurück, aber bezieht diese nicht auf individualmedizinische, sondern auf gesundheitswissenschaftliche und bevölkerungsbezogene Fragestellungen. Beispiele dafür sind die Ergebnisse zu Geschlechterunterschieden bei der koronaren Herzkrankheit, aber auch in den Debatten um die Human-Papiloma-Virus-(HPV-)Impfung sowie in der Tabak- und Alkoholprävention.
  • Weitere wichtige Anknüpfungspunkte für geschlechterbezogene Lehrinhalte bietet die Sozialepidemiologie. Hier ist vor allem das Zusammenspiel von aus dem Geschlecht resultierenden Einflüssen und anderen sozialen Determinanten und differenzierteren Variablen wie dem Bildungsstand, Migrationshintergrund, Arbeitsmarktintegration, Religion und sexueller Orientierung zu erfassen.
  • Ein drittes Feld sind sozialwissenschaftliche Grundlagen und Studien der Geschlechterforschung, die einerseits in der Epidemiologie relevant werden, aber andererseits auch darüber hinaus weisen. Beispiele sind Analysen der Organisation des Versorgungssystems unter gendersensibler Perspektive – z. B. geschlechterdifferenzierte Verteilungen in der Verordnung von Arzneimitteln ohne medizinische Begründungen, die vor allem für die Verordnung von Psychopharmaka nachgewiesen sind. Weitere Beispiele sind Studien zur Professionalisierung der verschiedenen Gesundheitsberufe mit überwiegend hohen Frauenanteilen.
  • Quer zur Vermittlung dieser verschiedenen disziplinären Grundlagen, Methoden und empirischen Daten liegen die Vermittlung feministischer Theorieansätze und des Konzepts Gender Mainstreaming sowie der Konzepte und Ergebnisse der Frauengesundheitsforschung und der Männergesundheitsforschung.

In Public Health wird ein breites Spektrum geschlechterbezogener Fragestellungen relevant, einige Beispiele sind:

  • frauenspezifische Fragestellungen, die an Debatten der Frauengesundheitsbewegung anknüpfen, z. B. Wechseljahre, Schwangerschaft und Geburt; spezielle Versorgungsangebote für Frauen mit Gewalterfahrungen;
  • männerspezifische Bedarfs- und Bedürfnislagen in der Gesundheitsversorgung, z. B. spezielle Angebote im Bereich der Prävention und in der psychosozialen Versorgung, in denen Männer häufig unterversorgt sind (z. B. Depression);
  • geschlechtersensible Analysen von Krankheitsfeldern und Versorgungsangeboten, die beide Geschlechter betreffen, aber sich de facto nur an einem Geschlecht orientieren. Die koronare Herzkrankheit und der Herzinfarkt sind hier die am besten untersuchten Beispiele, die einen ‚male bias’ aufweisen, der zur Unterversorgung von Frauen führen kann; Studien zur Depression bei Männern weisen hingegen auf eine Unterversorgung in der männlichen Bevölkerung hin.

Differenzierte empirische Studien und geschlechterspezifische Konzepte liegen insbesondere im Bereich der Prävention vor; ebenso sind epidemiologische Daten und die Gesundheitsberichterstattung mittlerweile vielfach nach Geschlecht aufgeschlüsselt bzw. liefern im Rahmen von geschlechtsspezifischen Gesundheitsberichten die Planungsgrundlagen für eine gesundheitliche Versorgung, die dem Versorgungsbedarf beider Geschlechter gerecht wird. Frauengesundheitsberichte wurden in den letzten Jahren durch Männergesundheitsberichte ergänzt, die differenzierte Daten zu Gesundheit, Krankheit und gesundheitsrelevantem Verhalten liefern. Mit dem 2016 in Kraft getretenen Präventionsbericht erhält die gendersensible Ausgestaltung aller GKV-Aktivitäten besondere Bedeutung und eine Verbindung der Qualitätsentwicklungs- und der Genderdiskussion ist erkennbar. Eine Konzeptentwicklung steht hier aber noch aus. Mit Blick auf empirische Daten zu Geschlechterunterschieden in Gesundheit und Krankheit stehen mittlerweile auch für Deutschland hinreichend Materialien zur Verfügung, die als Grundlage für die Vermittlung fachspezifischer Lehrinhalte dienen können. Auch für die Vermittlung methodischer Konzepte zur Überprüfung eines Gender Bias und zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Forschung und Praxis von Public Health liegen erste Materialien vor. Demgegenüber ist die Materialbasis weitaus schmaler für Fragen der Versorgungsforschung; hier muss vor allem auf anglo-amerikanische Studien zurückgegriffen werden.

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Integration der Inhalte der Geschlechterforschung in das Curriculum:

Gender-Aspekte sollten grundsätzlich – dem Konzept des Gender Mainstreamings folgend – in alle Themenfelder und Fragestellungen von Public Health integriert werden. Da Gesundheit und Krankheit eng mit Geschlechterfragen verknüpft sind – und Unterschiede zwischen Frauen und Männern in den gesundheits- und krankheitsbezogenen Daten mittlerweile gut dokumentiert sind – ist diese Anforderung unverzichtbar. Darüber hinaus sind aber spezifische Gender-Module in einigen Fällen sinnvoll. Beispiele für Gender-Module können sein:

  • Module zu methodischen Fragen der Geschlechterforschung; insbesondere zur Entwicklung gendersensibler Indikatoren für die Bewertung der Qualität von Versorgungsleistungen und Versorgungsmodellen, wie den Disease-Management-Programmen im ambulanten Bereich und den DRGs in der stationären Versorgung;
  • Module zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Gesundheitsversorgung;
  • Module zur Entwicklung gendersensibler Versorgungsangebote, z. B. in Prävention und Gesundheitsförderung, einschließlich einer Integration der Genderkategorie als Qualitätskriterium in den GKV-Aktivitäten;
  • Module zu spezifischen Fragen der Frauengesundheit und der Männergesundheit.

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Studienphase:

Die genannten Inhalte sind von Beginn an in die grundständigen Studiengänge (Bachelor) sowie die jeweiligen Curricula der Master-Studiengänge zu integrieren; spezifische Gender-Module können – abhängig von den Curricula – eher im zweiten Jahr angeboten werden.