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Gender Curriculum Betriebswirtschaftslehre

Fach: Betriebswirtschaftslehre
Fächergruppe/n: Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Lehrziele:

Ziel:

  • Infragestellung der vermeintlichen Geschlechterneutralität der betriebswirtschaftlichen Disziplin und Verortung einer feministischen Betriebswirtschaftslehre
  • Analyse der (Re-)Produktionsprozesse von Geschlechtern und Geschlechterverhältnissen in der Betriebswirtschaftslehre und ausgewählter Teildisziplinen (wie z. B. Organisation, Personal, Marketing) unter Bezugnahme auf relevante Ansätze feministischer Epistemologien und Diversitätsansätze
  • Methodologische Kritik hegemonialer Männlichkeit in betriebswirtschaftlichen Theorien
  • Analyse von Konstruktionsweisen von Geschlechterbinaritäten in (betriebswirtschaftlichen) Organisationen
  • Herkünfte und funktionale Äquivalente zu diskriminierenden Strukturen und Funktionen

Zu erwerbende Kompetenzen:

  • Analysefähigkeit betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis bezüglich Performanz/Praxis der Geschlechter
  • Genderkompetenz in Bezug auf betriebswirtschaftliche Instrumente zur Herstellung von Chancengleichheit

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Lehrinhalte/fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung:

Ausgehend von den unterschiedlichen feministischen Epistemologien (Geschlecht als Variable, Feministische Standpunkttheorie, Feministischer Postmodernismus/Poststrukturalismus und Feministischer Postkolonialismus) wird den Konstruktionsbedingungen und Reproduktionsprozessen von Geschlechtern und Geschlechterverhältnissen in der Betriebswirtschaftslehre nachgegangen. 

Konkret bedeutet dies, anhand der Dekonstruktion die binäre Geschlechterlogik der Betriebswirtschaftslehre aufzuzeigen und damit Marginalisierungen und Zentrierungen sowie Einschluss und Ausschluss von bestimmten Geschlechterkonstruktionen sichtbar zu machen. Dies bedeutet gleichzeitig auch, den Diskursraum zu öffnen, und die Möglichkeit, Geschlechterrepräsentationen jenseits binärer Geschlechterlogiken in den betriebswirtschaftlichen Diskurs einzubringen. 

Einerseits läuft eine solche dekonstruktive Vorgangsweise in allen betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen nach dem gleichen Muster ab, gleichzeitig gibt es doch disziplinäre Unterschiede, denen auch eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Im Rahmen dieses Studienganges erfolgt aufgrund beschränkter Zeitressourcen eine Beschränkung auf die betriebswirtschaftlichen Teilbereiche Organisation, Personal, Marketing und Controlling, obwohl sich auch in anderen betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen wie z. B. Versicherungslehre, Bankbetriebslehre, Finanzierung auch geschlechterrelevante Aspekte ausmachen lassen.

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Integration der Inhalte der Geschlechterforschung in das Curriculum:

In einem sinnvoll vorausgesetzten "allgemeinen" Gender-Modul sollen Prozesse der Vergeschlechtlichung in marktwirtschaftlich-kapitalistischen Unternehmen analysiert und kritisiert werden. Dazu müssen Kenntnisse sowohl zur doppelten Vergesellschaftung von Frauen (R. Becker-Schmid) und deren Auswirkungen auf Arbeitsstrukturen (M. Goldmann, B. Aulenbacher, K. Gottschall), Theorien der Geschlechterpolitik im Rahmen marktwirtschaftlicher Prozesse (H. Nickel) bzw. auf Professionalisierungsprozesse (A. Wetterer), der symbolisch-kulturellen Konstruktion und Kritik von binären Geschlechterverhältnissen (S. Gherardi) entweder vermittelt oder vorausgesetzt werden.

In Bezug auf Teilbereiche betriebswirtschaftlichen Handelns liegen in den Bereichen der

  1. Organisationstheorie 
  2. Personalwirtschaft
  3. Marketing
  4. Controlling 

umfangreiche Studien und Handlungsempfehlungen vor, auf die in einem Gender & BWL-Curriculum Bezug genommen werden kann. Auf einer weiteren methodologischen Ebene sind wissenschaftstheoretische Fragen der (De-)Konstruktion von binären Geschlechtermodellen in der betriebswirtschaftlichen Theorie relevant. Diese Aufteilung in Teilmodule entspricht der disziplinären Gliederung vieler BW-Studiengänge und kann als integriertes Teilmodul angelegt werden.

In den Teilmodulen sollen die Prozesse der Vergeschlechtlichung und die Reproduktion geschlechtstypisierender Strukturen analysiert und kritisiert werden. Dabei wird sowohl auf Geschlechtertheorien der Dekonstruktion von Geschlechtsbinarität als auf Theorien der Kritik hegemonialer Männlichkeit Bezug genommen.

Organisationstheorie
  • Ziel dieses Moduls ist es, die binäre Strukturierung von Organisationstheorie und Organisationen aufzuzeigen und deren Konstruktionsbedingungen sichtbar zu machen. Voraussetzung für solche Analysen sind Grundlagen feministischer Epistemologien (Harding) sowie Grundlagen zur Dekonstruktion (Derrida) und Diskursanalyse (Foucault). Im Detail werden zunächst zentrale Texte der Organisationstheorie aus einer Geschlechter- und Diversity-Perspektive beleuchtet. Dabei werden organisationale Basistexte auf ihre impliziten Geschlechterkonstruktionen untersucht und die daraus entstehenden Implikationen für Theorie und Praxis diskutiert. Bei den Texten wird auf historische organisationale Ansätze (z. B. Weber, Taylor, Barnard, Simon etc.) zurückgegriffen, es werden aber auch aktuelle Ansätze (z. B. Weick) herangezogen, um die Persistenz von Gender- und Diversity-Subtexten in der Organisationstheorie und neueren Managementliteratur offen zu legen (R. Bendl, E. Kelan, J. Martin, M. Calas/L. Smircich). Auf methodologischer Ebene kann mit der Dekonstruktion (Overturning und Metaphorisierung) wie auch diskursanalytisch gearbeitet werden, um die diskursive Reproduktion von Machtverhältnissen zwischen den unterschiedlichen sozialen Gruppen in den organisationalen Texten aufzuzeigen (I. Koall, R. Bendl). Im Weiteren wird dann auf die Reproduktion von hegemonialer männlicher Macht in organisationaler Praxis Bezug genommen. Dazu werden einerseits männerbündische Strukturen von Organisationen in den Blick genommen (D. Raststetter) und andererseits wird untersucht, wie Karrieremuster als geschlechterkonstituierende Mechanismen in Organisationen wirken (A. Hofmann). Ebenso wird thematisiert, wie sich auch unter neuen Karriereparadigmen in (postmodernen) Organisationen (‚boundaryless career paradigm', Ellig/Thantchenkery) die Produktion von hegemonialer Männlichkeit in Organisationen fortsetzen kann.
Personalwirtschaftslehre
  • In diesem Modul können die beruflichen Rahmenbedingungen für Frauen innerhalb geschlechterdifferenzierender betrieblicher Hierarchien, Einkommsstrukturen, Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsfelder aufgezeigt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein primäres Unternehmensinteresse der MitarbeiterInnenbindung mit Chancengleichheitsprogrammen (Total E-Quality, Gender Mainstreaming, Managing Diversity) korrespondieren kann. Im Prozess der Veränderung von Geschlechterhierarchien und -barrieren wird auf Frauen in Führungspositionen rekurriert. Dabei werden Forschungsergebnisse und Empfehlungen zu Laufbahnentwicklung, Personalentwicklung, Personalauswahl, Personalmarkting, Karrierekonzepten und -wegen von Dual Career Couples, Auslandseinsätzen von weiblichen Führungskräften relevant (Ch. Autenrieth, M. Domsch, A. Hadler, K. Hansen, E. Regnet). Dagegen verdeutlichen empirische Untersuchungen zu Frauen in Führungspositionen die marginalen Wirkungen dieser betrieblichen Initiativen zur Veränderung in traditionellen, geschlechterhierarchischen Unternehmensstrukturen und verweisen auf die Effizienz, Flexibilität und Karrierevorteile, die Frauen in ihren eigenen, selbstständig geführten Unternehmungen entwickeln können (S. Bischoff). Diese Betonung der Zukunft des weiblichen Entrepreneurships analysiert und diskutiert UnternehmerInnenbilder, basierend auf empirischen Studien zur Veränderung von traditionellen, organisationsbezogenen Berufs- und Karriereverläufen (A. Bührmann/K.Hansen) und hat das curriculare Ziel, neue diskursive, gender-empowernde Strategien für BerufsanfängerInnen zu entwickeln. Eine eher personalpolitische Perspektive, die auf mikropolitische Prozesse in betrieblichen Arenen fokussiert, verdeutlicht das Erfordernis zur Integration von Chancengleichheit in alle Prinzipien, Verfahren, Instrumente und Praktiken der Personalpolitik (G. Krell), dabei wird sowohl Gleichstellungspolitik als übergeordnete Managementaufgabe angelegt als auch die Bewegung des weiblichen Personals durch die Unternehmung (Rekruiting, Einstellung, Personalbeurteilung, Qualifikation, Vereinbarkeitsregelungen, Auslandseinsätze) und Bereiche der Arbeitsgestaltung (geschlechtstypisierende Arbeitsteilung und -bewertung, Arbeitszeitregelungen) der Entgeltdifferenzierung, der betrieblichen Sozialpolitik, des Führungsverhaltens und der Teamentwicklung thematisiert. In Abgrenzung dazu sind personalökonomische Konzepte zu sehen, die auf der Basis des methodischen Individualismus bzw. von verhaltenswissenschaftlichen empirischen Analysen ökonomische Verhaltensmodelle generieren, die tendenziell Geschlechtsbinaritäten perpetuieren, sich aber in ihren politischen Implikationen durchaus unterscheiden können (Alewell). Die Verbindung zu weitergehenden Konzepten der Antidiskriminierung wie im Managing Diversity (in Ergänzung mit den sozialen Kriterien wie Alter, Hautfarbe, soziale Herkunft, Religion) kann mit Bezug auf bereits in der Praxis gut eingeführte, inklusive Konzepte, z. B. die diskriminierungsfreien Instrumente des Human Ressource Managements, vermittelt werden (R. Bendl, R. Ely, K. Hansen, I. Koall, G. Krell). Ziel dieses Moduls ist es, neben dem Verständnis für gegenderte Prozesse, Anleitungen und Empfehlungen zur Entwicklung diskriminierungsfreier und ressourcenförderlicher betrieblicher Maßnahmen zu vermitteln, um das Potenzial von Frauen sinnvoller zu integrieren.

Teilmodul Marketing
  • Die Marketingbranche ist sehr resistent in der Reproduktion von traditionellen Geschlechterstereotypen (Catterall, Miriam/McLaran, Pauline/Stevens, Lorna). Überprüfbar und kritisierbar bleibt dabei auch die These zur Möglichkeit einer "geschlechtssensitiven" (Hansen) Marketingwissenschaft. Voraussetzung für solche Analysen sind Grundlagen feministischer Epistemologien (Harding) sowie Grundlagen zur Dekonstruktion (Derrida) und Diskursanalyse (Foucault). Diese Aufdeckung von geschlechterreproduzierenden Mechanismen erfolgt auf mehreren Ebenen:
  1. Reproduktion von Geschlechterverhältnissen in Marketingtexten: Hier wird untersucht, welche Geschlechterverhältnisse Lehrbücher des Marketings und KonsumentInnenverhaltens (Meffert, Becker etc.) konstituieren. In diese Analyse werden ältere wie auch neue Texte der Marketingliteratur einbezogen.
  2. KäuferInnenverhalten, geschlechterrelevante Produkt-, Preis-, Absatz- und Kommunikationspolitik
  3. Geschlechterspezifische Marktsegmentierung, Untersuchung von Zielgruppendefinitionen nach ihren Konstruktionsbedingungen, ‚neue' Zielgruppen des Marketings, Diversity Marketing
  4. Reproduktion von Geschlechterstereotypen im Rahmen von Werbung (Analyse von aktuellen Werbespots nach Geschlechterstereotypen)
  5. Marketing als ‚Männerbund' - Analyse der ‚Branche' bezüglich ihrer Verortung von Frauen und Männern
Teilmodul Gender-Controlling/Gender-Budgeting 
  • Die Umsetzung von Gender-Perspektiven in Unternehmen geschieht im Rahmen betriebswirtschaftlicher "objektivierender" diskursiver Strategien des Gender-Controllings. Diese exkludierende Rationalität ist gender-, class- und race-discriminierend. "Accounting for Gender" analysiert die Produktion und Reproduktion von Genderstereotypen und binären Geschlechterverhältnissen im Zuge der Repräsentationen des Financial Accountings (Becker). Andererseits bietet das Controlling auf der Basis von klar definierten Zielen, die mit messbaren Kennzahlen (Indikatoren) belegt werden, eine gute Möglichkeit der Integration von "weichen" sozialen Zielen in "harte" betriebswirtschaftliche Fakten. Die sozialen Indikatoren zur Gleichstellung (z. B. Quoten in bestimmten hierarchischen Bereichen) werden mit den Unternehmenszielen bzw. vorausgehenden Unternehmenspolitiken verknüpft, und eine unüberschaubare soziale Realität wird berechenbar. Ein Controllinginstrument ist die "Balance Score Card" (Kaplan/Norton) die eine soziale Zielerreichung systematisch mit der Definition von Kennzahlen, Zeiträumen, Strategien, operativen Umsetzungsschritten, Evaluation von Schritten und Prozessen auf der Basis von systematischen Soll-Ist-Vergleichen durchführt. Prozessbeobachtung und -steuerung werden auf der Basis von verobjektivierenden Daten diskutierbar und sind weniger auf der Ebene von mikropolitischen Aktivitäten abzuwehren und abzuwerten. Dabei kann das Gender-Controlling als Gender-Analyse (Faulstich-Wieland), als Prozessevaluation (Ulshöfer), als Genderfolgenabschätzung (GenderkompetenzZentrum) oder als strategisch-integratives Konzept (Wiltzius) des Controllings begriffen werden, in dem alle Bereiche der Planung, Analyse und Kontrolle um den Gender-Aspekt angereichert werden. Weiterhin kann empfohlen werden, die Erfahrungen und Ergebnisse aus Gender-Mainstreaming-Prozessen mit den Themen des Gender-Budgetings in die reguläre Controlling-Ausbildung von Studierenden zu integrieren. Obwohl es zunächst in öffentlichen Haushalten angewendet wird, kann von der Möglichkeit der Übertragung auf den Profit-Bereich ausgegangen werden, wenn es zu einer gender-vergleichenden Ermittlung von "vergeschlechtlichten" Geldströmen, beispielsweise im Personalbereich (ROI - Return on Human Investment), also der Gegenüberstellung von Kosten (Recruitingkosten, Investitionen in Gehalt und Weiterbildung) und erwirtschaftetem Mehrwert durch die Tätigkeit von Frauen/Männern kommt. Dabei werden z. B. die verdeckten Kosten des nicht aktualisierten personalen Potenzials negativ in der Analyse des Humankapitals deutlich und immer noch bestehende geschlechterdifferente (15–20 %) Unternehmensaufwendungen für Löhne und Gehälter werden dem Nutzen von Frauen- und Männerarbeit gegenübergestellt (Domsch/Ladwig). Es wird deutlich, dass Diskriminierung von Frauen in Unternehmen eine Kosten- und Nutzenseite aufweist, die im Sinne eines Gender-Budgetings & Controllings veröffentlicht werden kann. Die Gender-Budgeting-Analyse verdeutlicht, wie Geldströme gelenkt und in Ressourcen für spezifische, machtvoll konnotierte Bereiche gewandelt werden können und zur Reproduktion der diskursiven und materiellen "Bedeutung" in Unternehmen genutzt werden. Soziale Ungleichheiten werden im Rahmen von Geldströmen manifestiert. Dabei werden "supplementäre Logiken" (Derrida) benötigt, um Zuarbeitsverhältnisse von Frauen zu Männern zu verdecken. Ziel des Moduls ist, die "Rationalität" betriebswirtschaftlichen Denkens und Handelns von den diskriminierenden Konnotationen der Geschlechterdifferenz zu "befreien bzw. die Machtgeleitetheit der betriebswirtschaftlichen Indikatorisierung aufzuzeigen und nutzbar zu machen. Dies deutet darauf hin, sich mit den diskursiven Praxen und Strategien der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit in der Betriebswirtschaftslehre zu befassen, was in dem nächsten Modul skizziert werden soll.
Teilmodul Wissenschaftstheorie
  • In diesem Teilmodul werden epistemologische Fragen zur Konstruktion von betriebswirtschaftlichen Aussagensystemen analysiert und in Bezug auf die Tendenz zur Herstellung von binären Geschlechterkategorien kritisiert. Dazu werden die Grundannahmen betriebswirtschaftlicher Theorien, die auf transdisziplinär angewendeten Erkenntnismodellen zur Beschreibung von betrieblichen und sozialen Tatbeständen (Osterloh/Grand) beruhen, analysiert. Gegenstände der feministischen, wissenschaftstheoretischen Kritik sind: binarisierte Menschenbilder in der BWL, wissenschaftspolitisch inspirierte Inklusion/Exklusion von Fragestellungen in den Gegenstandsbereich betriebswirtschaftlicher Forschung, Präskriptionen zur Bildung von Klassifikationen, devaluierende Verfahren zur Reduktion sozialer Komplexität u. v. m. Sie können im Rahmen von o. g. dekonstruierenden Verfahren auf die überprüft werden (Bendl, Koall).

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Studienphase:

Masterprogramm