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Gender Curriculum Design

Auch relevant für: Kunst- und Kulturwissenschaften

Fach: Design
Fächergruppe/n: Kunst, Kunstwissenschaft

Lehrziele:

Den Studierenden aller Designrichtungen soll die Bedeutung der Kategorie Geschlecht im Kontext der Frauen- und Geschlechterforschung sowohl in ihren historischen, soziokulturellen, ökonomischen, ökologischen als auch technischen Dimensionen nahegebracht und intensiv vermittelt werden. Sie sollen in die Lage versetzt werden, die theoretischen, konzeptionellen, empirischen, entwurfsbezogenen und praktischen Implikationen zu erkennen und aktiv gestalterisch in ihre theoretischen und praktischen Arbeiten einzubringen. Dies gilt für alle Designrichtungen, denn die Form der Vermittlung (durch die Lehrenden) bzw. Aneignung (durch die Studierenden) jener Ansätze, Theorien, Verfahren, die Geschlecht als essentielle Kategorie und Geschlechtergerechtigkeit als selbstverständlichen Bestandteil in den Entwurfsprozess einbeziehen, unterscheidet sich nicht nach Spezialdisziplin. Lediglich die inhaltlichen Perspektiven – d. h. in welchen Designfächern die Frauen- und Geschlechterforschung vermittelt wird – differieren.

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Lehrinhalte/fachspezifische Inhalte der Geschlechterforschung:

Vorausgeschickt sei, dass hier lediglich strukturell zu verallgemeinernde Inhalte vorgestellt werden können, was mit der Spezifik des Fachs Design zusammenhängt: Design ist in den meisten Hochschulen ein Oberbegriff, der die Hochschule, Fakultät etc. bezeichnet, innerhalb welcher nach unterschiedlichen Studienfächern getrennt wird (eine Ausnahme bildet die Köln International School of Design, an der die Verfasserin lehrt: Hier wird ein generalistisches Projektstudium angeboten, in dem Spezialisierung ausdrücklich nicht erlaubt ist). Gelehrt bzw. studiert wird entweder Visuelle Kommunikation oder Produktdesign oder Mediendesign oder Modedesign oder Transportation Design oder Designtheorie.

Die im Folgenden dargestellten Themenfelder verstehen sich nicht als abgeschlossene, sondern eher als exemplarische, gleichwohl notwendige Inhalte. Gerade das Fach Design, eine ohnehin noch junge Disziplin im Kanon der Studienfächer, ist sehr dynamisch und unterliegt ständigen Veränderungen (neue Technologien, Materialien, Herstellungsprozesse etc.). Das Themenspektrum ist sehr breit, die Frauen- und Geschlechterforschung allerdings verfügt im Design noch längst nicht über einen nennenswerten Einfluss.

Das gesellschaftlich im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit nicht ausgeglichene Geschlechterverhältnis manifestiert sich im Design auf allen Ebenen:

  1. Die Designlehre an der Hochschule sowie der Beruf als Designerin oder Designer ist stark geschlechtlich segregiert. Die gesellschaftlichen Geschlechterkonstruktionen schlagen sich in den dem jeweiligen Geschlecht zugemuteten und zugesprochenen "besonderen Fähigkeiten" nieder. So finden sich etwa in der Automobil- oder Investitionsgüterindustrie kaum Designerinnen; und die wenigen, die dort beruflich aktiv sind, werden meist in Positionen eingesetzt, die sogenanntes "weibliches Arbeitsvermögen" verlangen – und das sind eben nicht die technisch-gestalterischen Bereiche.
  2. Die diversen Designfächer sind sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch auf der der Studierenden deutlich geschlechtlich konnotiert: Produkt- bzw. Industriedesign etwa sind männlich dominiert, während sich in Modedesign viele Frauen finden; zum Teil gilt Ähnliches mittlerweile auch für die Visuelle Kommunikation (zumindest, was die Studierenden betrifft).
  3. Diese Geschlechterspezifik setzt sich auf Seiten der Design-Konsumierenden und -Gebrauchenden fort, sowohl hinsichtlich der Kaufentscheidungen als auch in den Formen des Gebrauchs.

Insofern ist es unabdingbar, die Perspektive des Geschlechterverhältnisses auf allen drei Ebenen in den Lehrinhalten präzise zu problematisieren. Diese beziehen sich auf die Theorie, Forschung/Recherche und entsprechende Methoden sowie den Entwurfsprozess.

Theorie
  • (Inter-)kulturelle Theorien der Frauen- und Geschlechterforschung unter besonderer Berücksichtigung der (wenigen) gestalterischen Ansätze, aber auch unter Einbeziehung der aktuellen Diskussionen, wie sie sich vor allem in der Soziologie, Psychologie und Ethnologie darstellen. Diese Theorien sind für die grundsätzliche Erkenntnis des (geschlechtlich konstruierten) Subjekt-Objekt-Verhältnisses bzw. des Interface zwischen Mensch (Frau/Mann) und Ding unabdingbar. Denn erst dann kann sich ein Verständnis für die emotionalen, kulturellen und ökonomischen Voraussetzungen für den Gestaltungsprozess herausbilden.
  • Theorien der Alltagskultur als Geschlechter-Kultur mit dem Schwerpunkt designrelevanter Fragestellungen: privater und öffentlicher Raum und seine geschlechtlichen Besetzungen; Wohnformen; Dingkultur; symbolische und Zeichensysteme; Körpersprache: Gestaltung des Körpers durch Haltung, Motorik; Kleidung als "zweite Haut"; Körperdesign als Zurichtung des Körpers (Kontrolle, Identifizierung, Branding ...); virtuelle Körperwelten (Cyborgs, "characters" etc.); sexuelle Körperbilder: Trans- und Intersexualität, Androgynie
  • Geschichte revisited: systematische Analyse der Designentwicklungen, -bewegungen und -institutionen unter der Genderperspektive (Arts & Crafts, Jugendstil, Deutscher Werkbund, Bauhaus, Faschismus, Streamline, Hochschule für Gestaltung Ulm, Radical Design, Pop, ökologisches Design, street art, Global vs. kulturspezifisches Design, Universal Design ...)
Designforschung
  • Gebrauchsforschung (Studien zur geschlechterdifferenten Nutzung von materiellen und immateriellen Produkten sowie öffentlichen und semiöffentlichen Räumen)
  • Usability/Feasibility Studies (Handhabung/Interface zwischen geschlechtlichen Subjekten und Objekten/Zeichen)
  • Objektforschung ("Biografie der Dinge")
  • Kommunikation und Werbung: gendersensible Wahrnehmungs- und Wirkungsforschung
  • Servicedesign (welche Dienstleistungen werden in welchen Lebenssituationen wahrgenommen bzw. fehlen?
  • Designerausbildung/-evaluierung (Geschlechterverteilung auf die jeweiligen Designfächer und Möglichkeiten einer stärker geschlechterparitätisch ausgerichteten Belegung)

All diese Forschungsfelder sollten, wenn immer möglich, den Aspekt der Internationalität/-kulturalität berücksichtigen, in dem sich insbesondere auch der Umgang der Geschlechter miteinander differenziert materialisiert. Priorität haben qualitative Methoden. Für die Forschung im Design haben sich insbesondere qualitative Beobachtungsstudien bewährt, deren Ergebnisdarstellung neben dem Text auch analytische Visualisierungen und Infografiken enthalten sollte.

Entwurfsprozess
  • Die Besonderheiten der Disziplin Design (sonst nur noch in der Architektur zu finden) bestehen in der Notwendigkeit, theoretische und empirische Arbeiten mit dem eigenen gestalterischen Entwurfsprozess zu verbinden. Die Entwurfspraxis muss die geschlechterrelevanten Voraussetzungen reflektieren, dass nämliche Bereiche, Räume, Produkte, Zeichen, aber auch sogenannte "skills" unterschiedliche Erfahrungsgehalte und -intensitäten nach Geschlecht aufweisen. Geschlechtergerechtigkeit impliziert die angemessene Berücksichtigung und Gleichwertigkeit dieser Unterschiede, aber auch die Notwendigkeit, die je defizitären Erfahrungen durch entsprechend strukturierte Curricula zu kompensieren, besser: zu beheben. Dies könnte etwa durch zusätzliche "Service"-Kurse ausgeglichen werden.

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Integration der Inhalte der Geschlechterforschung in das Curriculum:

Gender ist Bestandteil unserer Kultur, es gibt keine ungeschlechtliche oder geschlechtsneutrale Wirklichkeit, und deshalb muss bei allen Maßnahmen und Vorhaben den unterschiedlichen Lebenssituationen, -erfahrungen und Interessen von Männern und Frauen Rechnung getragen werden. So auch im Designstudium. Und das bedeutet: Gender ist kein "Wahlfach", das als Extra- oder Zusatzthema gelehrt werden sollte. Gender liegt quer zu allen Themen und ist in jedem enthalten. Insofern sollte es in alle Studienfächer und Projektzusammenhänge integriert werden. Sollte dies nicht (sofort) umzusetzen sein, empfehlen sich Lernmodule, die verbindlich im Grund- und Hauptstudium gelehrt werden. Inhaltlich würden dazugehören:

  • Modul „Alltagskultur und Geschlechterkonstruktion“ als theoretische Grundlage
  • 1–3 Module aus dem Bereich „Gebrauch und Geschlecht“ als empirische Grundlage
  • Modul „Herangehensweisen bei der Problemformulierung und –lösung“ (unter Berücksichtigung möglicher Geschlechterdifferenzen und Gendersensibilität)

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Studienphase:

Wie bereits erwähnt, sollte Gender idealiter zum Bestandteil der Lehrveranstaltungen gemacht und in zusätzlichen Projekten fokussiert werden. Auf jeden Fall aber sollten die formulierten Inhalte in die grundständigen Studiengänge (Bachelor) integriert werden und später (Master) als eigenständiges Recherche-Modul verbindlich sein. Es empfiehlt sich, die Sensibilisierung für Geschlechterungleichheiten und die Implementierung von Gender Mainstreaming bereits zu Studienbeginn zu integrieren (Einführungs- und Orientierungskurs im ersten oder zweiten Semester mit good-practice-Beispielen aus Projektkooperationen zur Ermutigung).