Fach:
Informatik
Fächergruppe/n: Ingenieurwissenschaften
Die Thematisierung von Geschlechterfragen in der Informatik-Lehre soll die zukünftigen Informatikerinnen und Informatiker sensibilisieren für die Rolle, die Geschlecht in Forschung und Entwicklung von Informatiksystemen spielt, und Offenheit erzeugen dafür, dass die Zugänge zu Software und Hardware bei der Arbeit und in der Freizeit bei unterschiedlichen Nutzerinnen- und Nutzergruppen sehr unterschiedlich sind. Dazu gehören auch erkenntnistheoretische Einsichten über den Zusammenhang von sozialem Kontext und Software bzw. ein Einblick in die auch von der Geschlechterfrage beeinflusste geschichtliche Entwicklung der Informatik. Durch die Thematisierung solcher Fragestellungen im Studium soll erreicht werden, dass Informatikerinnen und Informatiker ihre eigenen Arbeitsbedingungen so (mit-)gestalten, dass sie für Männer und Frauen attraktiv sind. Vor allem aber soll ein Beitrag dazu geleistet werden, dass bei der Gestaltung von Softwaresystemen ein Bewusstsein darüber besteht, dass sie offen sein müssen für die Bedürfnisse beider Geschlechter und dass sie größere Diversität im Zugang und Umgang erlauben.
Als Lehrinhalte möchte ich die folgenden fünf Schwerpunkte vorschlagen:
Ein spezifisches Modul Geschlechterforschung könnte im Rahmen der „Anwendungen” der Informatik Sinn machen. Insbesondere in einem Master-Programm könnte dies in ein Curriculum eingebaut werden.
Im Bachelor scheint eine Integration in existierende Module sinnvoller. Dort, wo „Informatik und Gesellschaft” zum Studienplan gehört, werden alle genannten Gender-Fragen einen geeigneten Platz finden. Im „Software-Engineering” könnte „Softwareentwicklung als Doing Gender” einen Platz finden. „Informations- und Wissensgesellschaft und die Veränderungen des Geschlechterverhältnisses” sowie „Geschichte der Informatik und erkenntnistheoretische Grundlagen” sollten Thema in der „Einführung in die Informatik” sein. In Anwendungsfächern wie eLearning, eBusiness, eGovernment usw. sollten Fragen des unterschiedlichen Zugangs und der Technikkultur eine Rolle spielen.
Es ist nicht sinnvoll, zu Beginn des Studiums in geschlechtsheterogenen Gruppen die Situation von Frauen in einer Männerdomäne zum Ausgangspunkt zu machen. Dies könnte höchstens in (zeitweise) geschlechtshomogenen Gruppen sinnvoll sein. Die Sichtbarkeit von Geschlecht ist in einer solchen Umgebung zunächst eher unangenehm. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung allerdings mit den Veränderungen im Geschlechterverhältnis, bedingt auch durch die Globalisierung, durch Informationstechnologien und das Internet und eine Verdeutlichung der Rolle des Geschlechterverhältnisses in der Geschichte der Informatik, tragen zu einer guten Einführung in die Informatik bei. Sie öffnen den Blick für die Breite der Informatikentwicklung und zeigen Gefahren einer Engführung bei Vernachlässigung der Geschlechterfrage auf.
Als eigenes Modul könnte die Geschlechterfrage im Hauptstudium ihren Platz finden.
An der Universität Bremen sowie an der FH Furtwangen/Universität Freiburg findet jährlich für zwei Wochen die „Informatica Feminale” statt. Dies ist ein sehr erfolgreiches und beliebtes Kompakt-Angebot im Rahmen des Informatik-Studiums nur für Frauen. Modulprüfungen aus diesen Studienangeboten werden von vielen Hochschulen und Universitäten als reguläre Studienleistungen im Rahmen ihrer Prüfungsanforderungen anerkannt. Darauf sollte in allen Studienordnungen explizit hingewiesen werden.