Fach:
Religionswissenschaft
Fächergruppe/n: Geisteswissenschaften
Die Studierenden sollen mit den methodologischen und theoretischen Grundlagen der religionswissenschaftlichen Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung vertraut gemacht werden. Erstes Ziel ist die Infragestellung vorherrschender Paradigmen und die Kompetenz zur kritischen Analyse, die sich sowohl auf die Gender-Konzepte in den religiösen Traditionen (etwa polare Geschlechterrollen oder normative Heterosexualität) richtet als auch auf die impliziten Gender-Konstrukte herkömmlicher religionswissenschaftlicher Forschung und religionstheoretischer Entwürfe. Das weiterführende Ziel ist die Revision der vorliegenden religionsgeschichtlichen Daten, die sich auf die mittlerweile umfangreichen empirischen Forschungsergebnisse aus der Geschlechterperspektive stützt. Ausgewählte vergleichende und systematische Fragestellungen machen interreligiöse Zusammenhänge hinsichtlich geschlechtsspezifischer Stereotype, Normen, Ideologien und Symboliken, aber auch Besonderheiten einzelner religiöser Traditionen deutlich. Die Studierenden sollen die Wechselwirkungen zwischen religiösen Symbolsystemen und dem Geschlechterverhältnis erkennen, die von der Legitimation hierarchischer Herrschaftsbeziehungen bis hin zu Egalisierungstendenzen oder auch zur Auflösung der Mann-Frau-Beziehung reichen. Letztlich werden die Studierenden dazu befähigt, die Kategorie „Geschlecht“ bzw. „Gender“ genauso wie andere Differenzierungen – Schicht, Alter, Ethnie – selbständig in die Analyse, Darstellung, Interpretation und Theoriebildung religionswissenschaftlicher Forschung zu integrieren.
Die Fragestellungen und Themen der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung sind zum einen dem Bereich der Religionsgeschichte und zum anderen dem Bereich der vergleichend-systematischen Religionswissenschaft zuzuordnen.
Im Rahmen der Religionsgeschichte richtet sich der Blick zunächst auf:
Im Rahmen der vergleichend-systematischen Religionswissenschaft, die ihre Fragestellungen und Themen in enger Bindung an die Religionsgeschichte entwickelt, liegt es nahe, die oben umrissenen Lehrinhalte, welche Bilder, Rollen und das Verhältnis der Geschlechter umfassen, zu integrieren in
In der fundamentalen methodologischen Frage nach Objektivität und Wertfreiheit der Forschung werden die Bereiche Religionsgeschichte und vergleichend-systematische Religionswissenschaft verknüpft. Die Erkenntnis, dass es eine rein objektive Forschung nicht gibt, ist konstitutiv für die Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung. In Anknüpfung an verschiedene Forschungsstränge wie Kritische Theorie, Konstruktivismus und Postkolonialismus zählt die Dekonstruktion des Objektivitätsanspruchs zu einem Kernbestandteil der feministischen Theoriebildung. Die Geschlechter-Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch polare Gegensätze. Dieser Logik folgt auch die strenge Grenzziehung zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen Vernunft und Gefühl. Aus der Sicht der Wissenschaft funktioniert die entkörperte Vernunft unabhängig, objektiv, aus einer Position epistemischer Akontextualität. Religion und Moralität gehören zum weiblichen Innenbereich, dem der äußere, wissenschaftliche, analytische, männliche Blick gegenübersteht. Im Gegensatz zu anderen Disziplinen wie Ethnologie oder Geschichtswissenschaft verteidigen viele Forschende im Bereich der Religionswissenschaft bis heute die streng objektive, distanzierte und wertfreie Wissenschaft. Bislang gibt es nur ein geringes Bewusstsein dafür, dass der hoch gehaltene Objektivitätsanspruch meist als Maske für partikulare Interessen, Werte und Bindungen fungiert.
Religion und Geschlecht hängen in mehrfacher Weise zusammen. Zum einen sind die religiösen Traditionen, Anschauungen, Symbole und Praktiken nicht geschlechtsneutral, sondern geschlechtsspezifisch geprägt. Weiter stehen die Geschlechterrollen, die Bilder, Stereotype, Ideale und das Selbstverständnis von Frauen und Männern im Rahmen einer bestimmten Kultur in der ständigen Wechselwirkung mit dem jeweiligen religiös-philosophischen Erbe. Darüber hinaus ist die herkömmliche Erforschung und Darstellung von Religionen selbst überwiegend durch eine androzentrische Perspektive gekennzeichnet; die klassischen religionstheoretischen Entwürfe basieren unreflektiert auf spezifischen Gender-Modellen. Die religionswissenschaftliche Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung berücksichtigt die Kategorie Geschlecht in der Sammlung, Beschreibung, Interpretation und Darstellung religionswissenschaftlicher Daten und deckt die Zusammenhänge und Verflechtungen von Religion und Geschlecht auf.
Im Rahmen der modernen multireligiösen Gesellschaften hat die religionswissenschaftliche Geschlechterforschung derzeit in der medialen Berichterstattung, in der interkulturellen Bildungsarbeit und im Rahmen der Integration von Migrant/inn/en die größte praktische Bedeutung.
Für die professionelle Umsetzung ergeben sich daher folgende Aspekte:
Grundsätzlich ist die Geschlechterperspektive ein Querschnittsthema, das in alle Fachgebiete und Themenfelder integriert werden müsste. Immer wenn von Religion die Rede ist, stehen auch die geschlechtsspezifischen Aspekte der jeweiligen Fragestellungen, Themen, Konzepte und Theorien zur Debatte.
Wenn die Integration der Inhalte der religionswissenschaftlichen Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung in den einzelnen Fachgebieten nicht gegeben ist, dann empfiehlt sich das Angebot eines Gender-Moduls, das aus folgenden Elementen bestehen könnte:
Die Inhalte sollten großteils im Bachelor-Studium vermittelt werden (Modulelemente 1 und 2 sowie einführend Modulelement 4), Modulelemente zu systematischen Fragestellungen (Modul 3) sowie eine Weiterführung von Modulelement 4 könnten in die Masterstudiengänge integriert werden.