Fach:
Judaistik/Jüdische Studien
Fächergruppe/n: Geisteswissenschaften
Die Studierenden sollen geschlechterspezifische Konstruktionen in allen Formen und Ausprägungen jüdischer Religion, Geschichte und Kultur erkennen können. Sie können das Verhältnis der Geschlechter in einen größeren gesellschaftspolitischen Zusammenhang einordnen, indem sie traditionelle jüdische Konzepte und Bilder von „Weiblichkeit” und „Männlichkeit” als Teil eines gesellschaftlichen Ordnungsmusters erkennen und diese Geschlechterkonstruktionen und -hierarchien mit anderen sozialen und kulturellen Organisationsformen in Verbindung setzen. Sie sollen befähigt werden, ihre erworbenen Kenntnisse auf ihre berufliche Praxis zu übertragen.
Das Fach „Jüdische Studien/Judaistik” widmet sich der mehr als 3000-jährigen Geschichte, Religion und Kultur des jüdischen Volkes sowie dessen Sprachen. Es versucht, die großen Linien nachzuzeichnen und zugleich die vielfältigen Erscheinungsformen in den Blick zu fassen, Kontinuität und Wandel in den verschiedenen Epochen und Räumen zu erkennen, von der Epoche des Zweiten Tempels bis zur Zeitgeschichte. Entsprechend seinem komplexen Gegenstand umfasst das Fach „Jüdische Studien” ein breites Spektrum von Unterdisziplinen: Bibel und jüdische Bibelauslegung, rabbinische Literatur (u. a. Talmud und Midraschim) und Halacha (Religionsgesetz), Geschichte des jüdischen Volkes, Jüdische Philosophie und Geistesgeschichte, Hebräische und jüdische Literaturen, Jüdische Kunst und Musik, Hebräische Sprachwissenschaft, Jüdische Religionspädagogik, Praktische Religionslehre. Die Vielzahl der Unterdisziplinen bedingt ein ebenso breit gefächertes Methodenspektrum. Da zudem jüdische Religion und Kultur immer in einer Wechselbeziehung zur jeweiligen Umgebungsgesellschaft standen, ist grundsätzlich eine Kontextualisierung der Befunde erforderlich.
Solange die Werte der traditionellen rabbinischen Kultur bis Ende des 18. Jahrhunderts die jüdische Gesellschaft bestimmten, wurden die Geschlechterrollen und so auch das Machtverhältnis der Geschlechter in Abgrenzung von den Männlichkeitsentwürfen der nichtjüdischen Umgebungsgesellschaft durch die Konstruktion des idealtypischen sanftmütigen jüdischen Mannes in Gestalt des Toragelehrten geprägt. Innerhalb der jüdischen Gesellschaft diente das Studium der rabbinischen Traditionsliteratur als Mittel, um männliche Dominanz über Frauen im rabbinischen Diskurs zu sichern, und erfüllte so die gleiche Funktion wie männliche physische Dominanz in anderen Kulturen. Frauen konnten sich in der Vormoderne nur in jenen Bereichen entfalten, denen im rabbinischen Wertesystem geringer Wert beigemessen wurde, sei es auf vielen Gebieten profaner Bildung und in gewissen Formen individueller Frömmigkeit, aber auch in Hauswirtschaft und Handelstätigkeit. Doch auch im Prozess der Akkulturation infolge der rechtlichen Gleichstellung ebenso wie in neuen sozialen und politischen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts wurden den Geschlechtern unterschiedliche Rollen zugeschrieben, sodass alle Formen und Ausprägungen jüdischer Religion, Geschichte und Kultur auf die hierin zum Ausdruck kommenden Geschlechterverhältnisse hin zu untersuchen sind. Die Analyse von Geschlechterkonstruktionen innerhalb der jüdischen Minderheit lässt wiederum Aussagen über die jeweilige Umgebungsgesellschaft zu.
Die folgenden Vorschläge sind Anregungen, inwiefern Themen der Frauen- und Geschlechterforschung in einzelne Teilfächer integriert werden können:
Die Geschlechterperspektive sollte nach Möglichkeit als Querschnittsthema in alle Module und Themenfelder integriert werden; daneben können aber auch Lehrveranstaltungen mit explizitem Geschlechterbezug angeboten werden.
Die genannten Fragestellungen und Themen sollten in der Bachelor-Phase behandelt und in den Master-Studiengängen vor allem an Quellen methodisch vertieft werden.