Fach:
Agrarwissenschaften, Rurale Entwicklung, Landwirtschaft
Fächergruppe/n: Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften
Die Studierenden erwerben theoretische und praxisorientierte Kompetenzen in der Analyse von Geschlechterverhältnissen im agrarischen Kontext. Gender wird dabei intersektional und kontextspezifisch in lokalen und globalen Verhältnissen verstanden. Aus der Geschlechterperspektive werden Fragen der nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen in der Landwirtschaft, insbesondere bei der Produktion von Nahrungsmitteln diskutiert. Das Studium macht mit der Disziplingeschichte und der Entwicklung des Themenfelds – von der Frauenforschung im ländlichen Raum über den Themenkomplex Gender and Environment bis zu den Feminist Agro-Food-Studies – vertraut. Aus einer agrarökonomischen Fachperspektive wird die Integration von Gender in agrarische Wertschöpfungsketten untersucht. Die Studierenden erhalten einen Überblick über grundlegende Theorien und Ansätze der Gender Studies und ihre Operationalisierung in den Agrarwissenschaften. Außerdem ist die Methodenkompetenz ein wichtiger Baustein der Ausbildung.
Zentrales Anliegen der Gender Studies in den Agrarwissenschaften ist:
Um diese Anliegen zu erreichen, schlagen wir vor die Lerninhalte in Form von folgenden Themenschwerpunkten zu vermitteln:
Während zunächst die Lebens- und Arbeitsverhältnisse von Frauen im ländlichen Raum im Fokus der Agrarforschung standen, erweiterte sich in den neunziger Jahren der Fokus von der ruralen Frauenforschung zur Untersuchung der Schlüsselkategorie Gender. Somit rückten zum einen andere Ungleichheitskategorien wie Klasse, Race oder Alter in das Analysefeld, zum anderen wurde auf die internationale Relevanz der Betrachtung von agrarischer Praxis und Geschlechterverhältnissen hingewiesen. Es sollte also nicht nur der Praxis im Globalen Süden Beachtung geschenkt werden, sondern eine geographische Erweiterung stattfinden. Hier sind Parallelen zu den Paradigmenwechseln in der Entwicklungsforschung zu sehen, wo es zu einer Verschiebung von „Frauen in der Entwicklung“ (WID) über „Gender und Entwicklung“ (GAD) hin zum Gender Mainstreaming kam. Diese Entwicklungsschritte sind immer noch wichtiger Bestandteil der feministischen Diskussion in der Agrar- und Entwicklungsforschung, da sie die historische Gewordenheit von Wissenschaftskonzepten sowie die wichtige Rolle der Gender Studies hin zu einer differenzierteren Analyse aufzeigen. Im globalen Kontext ist die Genderperspektive im Ressourcenmanagement und in der Landwirtschaft durchaus anerkannt. Von einer Institutionalisierung der Geschlechterperspektive kann jedoch in Deutschland nicht gesprochen werden.
Ein weiteres Thema ist die Bedeutung des Geschlechts für die Berufspraxis. Was sind geschlechtsspezifische Zugangsvoraussetzungen und inwiefern ist die berufliche Praxis vergeschlechtlicht? Hier müssen unterschiedliche Arbeitsmarktbedingungen in unterschiedlichen Feldern (Studiengang, Forschungseinrichtungen, landwirtschaftliche Betriebe) betrachtet und in ihren Auswirkungen auf individuelle Erwerbsverläufe analysiert werden.
Landwirtschaft und Ernährung sind fächerübergreifende Themengebiete, welche in die Sozial-, Kultur-, Natur- und Umweltwissenschaften hineinreichen und im englischsprachigen Raum im Forschungsfeld der Agro-Food-Studies zusammengefasst werden. Die Feminist Agro-Food-Studies bieten sowohl theoretisch als auch methodisch Ansätze, die für das Zusammendenken von Agrarwissenschaften und Gender Studies nutzbar gemacht werden können.
In den Agrarwissenschaften finden momentan mit dem sich neu entwickelnden Feld der Feminist Agro-Food-Studies drei Perspektivenerweiterungen statt, die aus einer Geschlechterperspektive bedeutsam sind und von Geschlechterforscher*innen vorangetrieben wurden. Die Erweiterungen befinden sich in ihrer Entwicklung noch im Anfangsstadium und eine langfristige Etablierung muss angestrebt werden.
Zusammenfassend zeigt sich einerseits eine Trendwende und Öffnung hin zu einem vielfältigeren Bild von agrarischer Praxis, welches Geschlechterverhältnisse einschließt, andererseits zeigt sich ein Verharren der traditionellen Geschlechterordnung in der Landwirtschaft, sodass weiterhin ein kritischer Umgang mit Geschlechterungleichheiten eingefordert werden muss.
Möchte man landwirtschaftliche Natur-, Lebens- und Arbeitsverhältnisse verstehen, muss fundiertes Methodenwissen vorhanden sein. Die Geschlechterforschung positioniert sich hier als eine kritisch hinterfragende Disziplin, die gängige Methoden beleuchtet und fragt, inwiefern auch wissenschaftliche Forschungspraxen in Machtverhältnisse und dominante Diskurse eingebettet sind. Diesem Thema widmeten sich seit den 1980ern feministische Wissenschaftler*innen, indem sie die Konstruktion von Wissen und seine Generierung thematisierten.
Im Zentrum der methodischen Ausbildung der Gender Studies steht das forschende Lernen und der Anspruch eines anwendungsbezogenen Studiums, bei dem unterschiedliche methodische Zugänge aufgezeigt werden. Landwirtschaft, Umwelt und Ernährung stellen dabei sehr gute Praxisfelder dar. Die Forderung einer Agrarwende in Richtung Nachhaltigkeit und Elemente der feministischen Wissenschaftskritik lassen sich gut zusammen denken und erforschen, denn ein Agrarwandel erfordert auch einen anderen Forschungsstil. Hier kann die Anwendung von geschlechtersensiblen Methoden der Entwicklungsforschung (partizipative Methoden/PRA, Aktionsforschung) und Ansätzen (z. B. Feministische Wissenschaftskritik, Postkoloniale Theorien) fruchtbar sein. Auch wenn der Ansatz von Carolin Moser aufgrund seiner entwicklungspolitischen Ausrichtung und mangelnden Veränderung auf struktureller Ebene kritisiert wird, kann ihre Unterteilung in praktische und strategische Genderbedürfnisse einen hilfreichen empirischen Rahmen bieten, um Geschlechterverhältnisse der agrarischen Praxis empirisch zu erforschen.
Eine Genderanalyse ist in allen Bereichen der Agrarwissenschaften relevant, deshalb ist es ratsam diese von Beginn an in das Studium zu integrieren.
Es empfiehlt sich dabei, die Studierenden früh, also zum Beispiel in Einführungsmodulen, mit diesem Analyserahmen vertraut zu machen. Um Studierende frühzeitig zu sensibilisieren und Interesse zu wecken, sind ein oder zwei Sitzungen zum Thema „Agrarwissenschaften und Gender“ im Rahmen der Einführungsmodule wünschenswert. Da Lehrpersonal oder Fachgebiete, die einen expliziten Genderschwerpunkt aufweisen, noch immer rar gesät sind, ist es ratsam, Kooperationen mit anderen Fachbereichen herzustellen und auf den Besuch von Veranstaltungen mit Genderschwerpunkt zum Beispiel in den Sozial- und Kulturwissenschaften hinzuweisen. Auch über Methodenmodule, die kooperativ gelehrt werden, lässt sich die Relevanz der Analysekategorie Gender frühzeitig einarbeiten.
Es empfiehlt sich die Einrichtung von eigenständigen (Teil)modulen, welche sich mit Geschlechterfragen in den Agrarwissenschaften beschäftigen. Diese können idealerweise zu Beginn des Studiums angeboten werden oder auch in einer fortgeschrittenen Phase zum Beispiel in der Vorbereitung auf Abschlussarbeiten.
Zu Beginn des Studiums:
In einer fortgeschrittenen Phase:
Zum Beispiel:
Das Einführungsmodul sollte jeweils mit unterschiedlichen Schweregraden zu Beginn des Bachelor- und Masterstudiums angeboten werden. Das Methodenseminar und das Vertiefungsmodul sind für einen Masterstudiengang geeignet.